Page 113 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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4.5 • Organe der Union
Art. 14 EUV – Das Europäische Parlament
(1) Das Europäische Parlament wird gemeinsam mit dem Rat als
Gesetzgeber tätig und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbe-
fugnisse aus. Es erfüllt Aufgaben der politischen Kontrolle und
Beratungsfunktion nach Maßgabe der Verträge. Es wählt den
Präsidenten der Kommission.
(2) Das Europäische Parlament setzt sich aus Vertretern der
Unionsbürgerinnen […] zusammen. Ihre Anzahl darf 750 nicht
überschreiten, zuzüglich des Präsidenten. Die Bürgerinnen […]
sind im Europäischen Parlament degressiv proportional, mindes-
tens jedoch mit sechs Mitgliedern je Mitgliedstaat vertreten. Kein
Mitgliedstaat erhält mehr als 96 Sitze. […]
(3) Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden in allge-
meiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl für eine Amtszeit
von fünf Jahren gewählt. […]
Die Abgeordneten sind nunmehr Vertreter der Unionsbürger Abgeordnete sind Vertreter der
und nicht „Vertreter der in der Gemeinschaft zusammenge- Unionsbürger.
schlossenen Völker“, wodurch der unionale Charakter des Zu-
sammenschlusses gestärkt werden soll. In Abs. 1 wird die Rolle
des EP besonders hervorgehoben, es wird einem nationalen
Parlament hinsichtlich seiner Aufgaben immer mehr angenä-
hert. Die klassischen Parlamentsaufgaben sind das Haushalts-
recht, die Kontrolle der Exekutive (hier der Kommission) und
das (Mit-)Verfassen von Rechtsakten, welche weitgehend auch
dem EP übertragen wurden.
Die Wahlrechtsgrundsätze wurden ebenfalls denen der Wahlrechtsgrundsätze
Mitgliedstaaten angenähert. Die Wahl der Abgeordneten
musste bis zum VvL nur allgemein und unmittelbar sein, jetzt
auch frei und geheim (vgl. Art. 38 I GG). Die Wahlperiode
beträgt fünf Jahre. Die Mitgliederzahl wird durch den Vertrag
auf 751 festgelegt. Die Sitzverteilung im EP wird nach dem
Grundsatz der degressiven Proportionalität durch Beschluss
des Europäischen Rates festgelegt, wodurch die Verletzung
des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit jedoch nicht auf-
gehoben wird, da der kleinste MS mindestens über sechs Sitze
verfügen muss, der größte jedoch höchstens 96 Sitze erhalten
darf. Das Demokratiedefizit (▶ Abschn. 4.5.1) bleibt bestehen.
Kurz zur Historie: Das Europäische Parlament wird seit
1979 direkt von den Bürgern und Bürgerinnen der Mitglied-
staaten der Gemeinschaften gewählt. Vor 1979 wurden die
Abgeordneten, es waren damals nur 198, aus der Mitte der
nationalen Parlamente ernannt, also nicht gewählt. Das Parla-
ment hat aber leider trotz direkter Wahl durch die Bürger der
Mitgliedstaaten in der Union noch nicht die Durchsetzungs-
kraft und den Stellenwert nationaler Parlamente, wie sich auch
an der geringen Wahlbeteiligung bei der letzten Europawahl