Page 117 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
P. 117

4
                                                                 111
          4.5  •  Organe der Union


            aktes nach Art. 263 II AEUV. Ferner zählt es zum Kreis
            der möglichen Antragsteller im Gutachtenverfahren nach
            Art. 218 XI AEUV.

          Demokratiedefizit: Erwähnt wurde bereits das sog. Demokra-  EU erfüllt den Demokratie-
          tiedefizit der Europäischen Union. Dies ergibt sich aus einem   standard des GG nicht.
          Vergleich mit dem nationalen Recht: Im GG wird die Bedeutung
          der parlamentarischen Demokratie stets hochgehalten, wonach
          ein ausgeklügeltes Gesetzgebungsverfahren die Gesetzgebung
          regelt und nur das Parlament, die Volksvertretung, Gesetze er-
          lassen darf. Nun hat aber das deutsche Parlament mit der Zu-
          stimmung zum E[W]GV und den späteren Vertragsänderungen
          (EEA, Unionsvertrag) etliche Kompetenzen an die Union (frü-
          her nach Art. 24, jetzt Art. 23 GG) übertragen. Die Gesetzge-
          bung in der EU wird jedoch hauptsächlich vom Ministerrat und
          dem EP auf Initiative der Kommission vorgenommen.
            Der Ministerrat setzt sich aus Personen zusammen, die
          von ihren Regierungen und nicht von den Parlamenten be-
          stellt sind, und erlassen – zumindest de facto – nach den An-
          weisungen ihrer Regierungen die Verordnungen und Richtli-
          nien. Zumindest die Verordnungen haben dabei eine direkte
          Wirkung, die durchaus nationalen Gesetzen vergleichbar ist.
          Polemisch formuliert, könnte man sich fragen: Wo bleibt denn
          da die Demokratie? Diese Konstellation ist wohl der größte
          Widerspruch, der sich in den Unionsverträgen befindet. Die
          Bürger der Mitgliedstaaten haben auf die Rechtsetzung des Ra-
          tes keinerlei zwingenden und bestenfalls, vermittelt durch die
          nationalen Parlamente, mittelbaren Einfluss.
            Allerdings wird das EP von den europäischen Bürgern ge-
          wählt und entscheidet zumindest im Bereich des Mitentschei-
          dungsverfahrens gleichberechtigt mit. Insoweit ist den Ver-
          tretern der Unionsbürger (Art. 14 II EUV) ein bestimmender
          Einfluss auf die Akte der EU nicht abzusprechen. Unglück-
          licherweise entspricht die Repräsentation der Bürger im EP
          nicht denen eines Staates, die Wahlrechtsgleichheit ist verletzt,
          da ein Abgeordneter aus Dtld. etwa 857.000 Unionsbürger ver-
          tritt, ein in Luxemburg gewählter Abgeordneter vertritt dem-
          gegenüber aber mit etwa 83.000 Luxemburger Unionsbürgern
          nur ein Zehntel davon, bei Malta wäre es mit etwa 67.000 sogar
          nur etwa ein Zwölftel davon; bei einem mittelgroßen Staat wie
          Schweden würde jeder gewählte Abgeordnete etwa 455.000
          Unionsbürger aus seinem Land im EP (Zahlen nach BVerfGE
          123, 267, Lissabonvertrag, Rn. 285). Diese Ungleichheit ist
          hinzunehmen, da die EU kein Staat ist und die verschiedenen
          Interessen der MS zum Ausgleich bringen muss, zu denen auch
          die besondere Berücksichtigung kleinerer MS gehört. Auch
          Art. 23 I GG spricht nur davon, dass die EU demokratische
   112   113   114   115   116   117   118   119   120   121   122