Page 116 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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110 Kapitel 4 • Die Europäische Union
- Das Parlament kann der KOM Fragen stellen, welche zu
beantworten sind, Art. 230 AEUV.
2 - Das Parlament kann nach seiner Geschäftsordnung,
Art. 232 AEUV, Ausschüsse bilden. Nach Art. 226 AEUV
steht dem Parlament das Recht zu, nichtständige Unter-
suchungsausschüsse zu bilden, welche unbeschadet der
Kompetenzen anderer EU-Organe behauptete Unions-
rechtsverstöße oder Missstände bei der Anwendung
4 überprüfen können. Die gleichzeitige Behandlung eines
Sachverhaltes neben einer gerichtlichen Prüfung ist
allerdings aus Gründen der Gewaltenteilung ausgeschlos-
sen. Bekannt wurde der Untersuchungsausschuss zur
BSE-Krise (ABl. 1996 C 239/1 und 261/132; Annahme
des Berichts durch das EP: ABl. 1997 C 85/61), der seine
Tätigkeit trotz vor dem EuGH und dem Gericht anhän-
giger Gerichtsverfahren fortsetzte, da er sich generell mit
der Problematik befasste, während die Klagen nur die
- Der Petitionsausschuss des Parlaments behandelt
von Kommission und Rat erlassenen Rechtsakte betrafen.
Petitionen von Bürgern oder juristischen Personen
mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem MS
(Art. 227 AEUV). Erforderlich ist, dass sie unmittelbar
betroffen sind und dass die Angelegenheit in den Tätig-
keitsbereich der EU fällt. Eine Petition ist ein Rechtsbe-
2 helf, ein rechtliches Instrument, das an keinerlei Form,
wie etwa Fristen, gebunden ist. Auch die deutschen
2 - Länderparlamente und der Bundestag (Art. 17 GG) sind
verpflichtet, Petitionen entgegenzunehmen.
Bürgerbeauftragter Der Bürgerbeauftragte (nach der skandinavischen Her-
2 kunft des Begriffes auch „Ombudsmann“ genannt) des
Parlaments (Art. 228 AEUV) nimmt Beschwerden von
natürlichen oder juristischen Personen mit Wohnsitz im
2 Unionsgebiet an. Die Bürger müssen Missstände bei der
Tätigkeit der Organe oder der Union rügen. Der Begriff
2 des Missstandes wird weit verstanden, so dass nicht nur
Rechtsverstöße, sondern auch Verstöße gegen die Grund-
2 sätze der guten Verwaltungspraxis, Machtmissbrauch u. ä.
umfasst werden (ABl. 1998 C 380/12 f.). Das Recht ist als
subjektiv öffentliches Recht ausgestaltet, bei Nicht- oder
2 Schlechtbehandlung einer Beschwerde kann sich der
Bürger an das Gericht wenden (Lamberts/Mediateur, Slg.
2 - 2002, II-2203). Die gerügten Missstände dürfen nicht Ge-
genstand eines Gerichtsverfahrens sein oder gewesen sein.
2 Das Parlament hat nach Art. 265 AEUV das Recht, gegen
Unterlassungen von Ministerrat, EZB und Kommission
zu klagen. Es besteht zudem ein (privilegiertes) Klage-
recht mit dem Antrag auf Nichtigerklärung eines Rechts-