Page 126 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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120 Kapitel 4 • Die Europäische Union
Art. 17 EUV – Aufgaben und Befugnisse
(1) Die Kommission fördert die allgemeinen Interessen der Union
2 und ergreift geeignete Initiativen zu diesem Zweck. Sie sorgt für
die Anwendung der Verträge sowie der von den Organen kraft
der Verträge erlassenen Maßnahmen. Sie überwacht die An-
wendung des Unionsrechts unter der Kontrolle des Gerichtshofs
der Europäischen Union. Sie führt den Haushaltsplan aus und
verwaltet die Programme. Sie übt nach Maßgabe der Verträge
4 Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen aus.
Außer in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und
den übrigen in den Verträgen vorgesehenen Fällen nimmt sie die
Vertretung der Union nach außen wahr. Sie leitet die jährliche
und mehrjährige Programmplanung der Union mit dem Ziel ein,
interinstitutionelle Vereinbarungen zu erreichen. […]
Motor der Integration Die Bedeutung der Aufgabenbestimmungsnorm des Art. 17
EUV kann kaum überschätzt werden.
Im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren kommt der Kom-
mission nahezu ein Initiativmonopol zu (Motor der Europä-
ischen Integration), die Art. 225, 241 AEUV schreiben eine
Initiativpflicht auf Anforderung von EP oder Rat vor.
Gemäß Art. 290 AEUV kann die Kommission zum Erlass
von Durchführungsvorschriften ermächtigt werden, so dass sie
auch eigene Rechtsetzungsbefugnisse hat, wobei sie die Voraus-
2 setzungen der VO 182/2011 (ABl. 2011L 55/13) beachten muss.
Die Ermächtigung ist vergleichbar der innerstaatlichen Verord-
nungskompetenz der Exekutive, Art. 80 GG. Streitig ist, ob der
2 Kommission ein Notrecht zum Normerlass zukommt, wenn
das Funktionieren des Binnenmarktes dies zwingend erfordert,
2 und die anderen Organe ihrer Gesetzgebungspflicht einmal
nicht nachkommen. Im Hinblick auf das Prinzip der begrenz-
ten Einzelkompetenz (▶ Abschn. 4.2), wonach jedes Organ nur
2 im Rahmen seiner Befugnisse nach außen handeln darf, ist die
Annahme eines solchen Rechts sehr problematisch. Der EuGH
2 hat judiziert, dass der Kommission kein Recht zur Notgesetzge-
bung zukommt (Seefischerei-Quoten, Slg. 1987, 5041).
Die Kommission wacht über die Befolgung des EU-Rechts
2 Hüterin der Verträge (Hüterin der Verträge), das führt häufig zu einer Konfrontation
gegenüber einem oder mehreren MS. Ferner ist sie der Regisseur
2 der Union; stets werden von ihr das Interesse der Union und die
eigenen Positionen der Union vertreten. Diese müssen nicht mit
2 denen der Mitgliedstaaten übereinstimmen. Als Exekutivorgan
unterliegt sie parlamentarischer Kontrolle, Art. 17 VIII EUV.
Die Kommission vermittelt zwischen den Mitgliedstaaten, in-
2 soweit wirkt sie auf eine verstärkte Integration hin.
Sie kann klageweise vor dem EuGH wegen der Verletzung
des Unionsrechts gegen Mitgliedstaaten, den Rat, das EP, das