Page 131 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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4.5 • Organe der Union
Art. 256 AEUV – Gericht
(1) Das Gericht ist für Entscheidungen im ersten Rechtszug über
die in den Artikeln 263, 265, 268, 270 und 272 genannten Klagen
zuständig, mit Ausnahme derjenigen Klagen […], die gemäß der
Satzung dem Gerichtshof vorbehalten sind. In der Satzung kann
vorgesehen werden, dass das Gericht für andere Kategorien von
Klagen zuständig ist.
Die Satzung des Gerichtshofs ist somit bei Zuständigkeitsfra-
gen immer zu beachten. Dies trifft auch bei Art. 267 III AEUV
zu, wonach die Zuständigkeit für einzelne Vorabentschei-
dungsverfahren, gedacht ist insbesondere an patent- und mar-
kenrechtliche Verfahren, durch Satzungsbestimmung auf das
EuG übertragen werden kann. Bislang wurden diesbezügliche
Bestimmungen jedoch noch nicht erlassen. In allen anderen
Fällen ist der EuGH erstinstanzlich zuständig. Ferner fungiert
er als Instanzgericht für die Urteile des EuG, wobei eingelegten
Rechtsmitteln mit Ausnahme der Fälle der Art. 278 f, AEUV
keine aufschiebende Wirkung zukommt, Art. 60 Satzung-
EuGH. Die Satzung ist als Protokoll Nr. 3 Bestandteil des VvL.
Als Rechtsprechungsorgan ist der EuGH für alle in den
Verträgen vorgesehenen Klagen zuständig. Der EuGH und das
EuG sind für unterschiedliche Arten von Klagen bzw. Verfah-
ren zuständig (▶ Abschn. 6.10).
Bei der Ausübung seiner Tätigkeit hat der EuGH auch all- Fortbildung des Unionsrechts
gemein die Aufgabe, das Unionsrecht durch seine Urteile und Auslegung
Gutachten fortzubilden und ihm schärfere Konturen zu geben,
als es etwa der Rat mit der zwangsweise allgemein gehaltenen
Rechtsetzung vermag, vgl. Art. 19 I 2 EUV. Die Konturierung
nimmt der EuGH vor, indem er das EU-Recht auslegt. Dabei
bedient er sich klassischer Methoden. Die Auslegung erfolgt
nach dem Wortsinn des einschlägigen Textes, nach seiner Ent-
stehungsgeschichte, nach seiner Systematik und seinem Sinn
und Zweck. Immer beachtet der EuGH bei der Auslegung auch
Sinn und Ziele des gesamten EUV/AEUV. Die Auslegung des
EuGH berücksichtigt fast immer auch das Prinzip des „effet
utile“, welches von einer Auslegung im Hinblick auf die größt-
mögliche Wirksamkeit des Unionsrechts ausgeht.
Beispiel: Umstritten war, ob die FernabsatzRL 97/7 im Falle der frist-
gemäßen Rücksendung von gekauften Artikeln auch die Erstattung
der Hinsendekosten umfasst. Art. 6 I UAbs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2
verwendet dafür die Formulierung „infolge der Ausübung seines
Widerrufsrechts“ und es wurde vorgebracht, damit seien nicht
sämtliche zulasten des Verbrauchers gehenden Kosten, sondern nur
die mit der Ausübung des Widerrufsrechts im Zusammenhang ste-