Page 157 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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5.1 • Rechtsquellen des EU-Rechts
EuGH an seiner Rechtsprechung fest (Faccini Dori, Slg. 1994,
I-3347).
Zu beachten ist noch das Rechtsinstitut der richtlinien- Richtlinienkonforme Auslegung
konformen Auslegung des nationalen Rechts. Wenn eine RL
nicht unmittelbar anwendbar/geltend sein sollte, hat der na-
tionale Richter aufgrund von Art. 4 III EUV immer noch zu
prüfen, ob das gesamte (nicht nur das nationale Umsetzungs-
recht) nationale Recht im Lichte der RL ausgelegt werden kann
(Marleasing, Slg. 1990, 4158). Anzuwenden sind die nationalen
Auslegungsmethoden. Erst wenn die Auslegung im Lichte der
RL nicht möglich ist, kommen einer nicht umgesetzten RL
keine innerstaatlichen Rechtswirkungen zu. Begründet wird
die richtlinienkonforme Auslegung mit der aus Art. 4 III EUV
stammenden und allen staatlichen Organen obliegende Pflicht
der MS, alle geeigneten Umsetzungsmaßnahmen zu treffen.
Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung besteht ab Ab-
lauf der Umsetzungsfrist bei nicht oder verspätet umgesetzten
Richtlinien ab dem Zeitpunkt bis zur Umsetzung (Adeneler,
Slg. 2006, I-6133). Bei eindeutigen, nicht auslegbaren natio-
nalen Bestimmungen, wie genau bestimmten wöchentlichen
Höchstarbeitszeiten („40-Std.-Woche“) ist eine Auslegung des
nationalen Rechts im Lichte der RL nicht möglich.
Staatshaftung für nicht umgesetzte Richtlinien: Als Ergebnis Staatshaftung ist nunmehr
dieser Rechtsprechung tauchte das Problem auf, wie das ver- gefestigte Rechtsprechung
tragswidrige Verhalten der MS bei Nichtumsetzen horizontal
wirkender Richtlinienbestimmungen sanktioniert werden kann.
In der berühmten Rechtssache Francovich (Slg. 1991, I-5357)
entwickelte der EuGH den Grundsatz der Staatshaftung, wel-
che nicht ausdrücklich im Unionsrecht vorgesehen ist. In einer
Reihe von Entscheidungen hat der Gerichtshof die Tatbestands-
voraussetzungen und Grenzen des Anspruchs herausgearbeitet
und verfeinert (z. B.: Brasserie du Pêcheur und Factortame III,
Slg. 1996, I-1029; Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845; Hedley Lomas,
Slg. 1996, I-2553). Diese – verschuldensunabhängige – Staats-
haftung ist mittlerweile gefestigtes Unionsrecht. Der EuGH hält
eine Haftung auch bei der Verletzung unmittelbar wirkenden
Unionsrechts (z. B. Primärrecht, VOen) für möglich. Gestützt
wird der Anspruch auf den Grundsatz der Effektivität des Uni-
onsrechts (Art. 4 III AEUV) und die Unionstreue der MS.
Der Francovich-Fall gestaltete sich folgendermaßen: Die Richtlinie
80/987 sollte Arbeitnehmern einen Mindestschutz bei Zahlungsun-
fähigkeit des Arbeitgebers gewähren, insbesondere den Anspruch auf
Arbeitslohn garantieren. Italien setzte die Richtlinie nicht fristgerecht
um. Ein italienischer Arbeitnehmer, der seit Monaten keinen Lohn von
seiner Firma erhalten hatte, verklagte die Firma. Obwohl die Klage