Page 159 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          5.1  •  Rechtsquellen des EU-Rechts
          -   Die Rechtsnorm des Unionsrechts gegen die verstoßen   Rechte des Einzelnen


            worden ist, muss bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu
            verleihen. Daher können auch Verstöße gegen horizon-
            tale RLen ohne unmittelbare Wirksamkeit für oder gegen
            Private Schadensersatzansprüche auslösen, wenn sie zum
          -   Der Inhalt dieser Rechte muss anhand der RL spezi-  Wichtig: hinreichend qualifi-
            Ziel haben, dem Einzelnen Rechte zu gewähren.
            fisch bestimmbar sein (Francovich) bzw. es muss ein
            hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegen (Brasserie   zierter Verstoß
            du Pêcheur). Die genaue Ausgestaltung des Tatbestands-
            merkmals des hinreichend qualifizierten Verstoßes
            variiert nach Art der Verletzung des Unionsrechts. Bei
            fehlendem Ermessen eines MS hinsichtlich der Um-
            setzung oder Abweichung von Unionsrecht reicht ein
            Rechtsverstoß gegen eine Vorschrift des Unionsrechts
            aus. Bei vorhandenem Ermessen muss dieser Spielraum
            offenkundig und erheblich überschritten worden sein.
            Bei der Judikative (insbes. Richtern) ist die Besonderheit
            der richterlichen Funktion zu beachten. Ein offenkun-
            diger Verstoß ist anhand der vom EuGH festgelegten
            Kriterien zu beurteilen. Indizien für einen offenkundigen
            Verstoß sind das Maß an Klarheit und Präzision der
            verletzten Vorschrift, die Vorsätzlichkeit des Versto-
            ßes, die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums, ggf. die
            Stellungnahme eines Gemeinschaftsorgans sowie (bei
            der Judikative) die Verletzung der Vorlagepflicht nach
            Art. 267 AEUV (Traghetti del Mediterraneo, Slg. 2006,
          -   Ein kausaler Zusammenhang zwischen Verletzungshand-
            I-5177).
            lung des Mitgliedstaates, also einer Unterlassung, und
            dem beim Einzelnen eingetretenen Schaden.

          Als Rechtsfolge ist Schadensersatz zu leisten. Grundsätzlich
          ist die volle Wiedergutmachung umfasst, allerdings ist ein
          eventuell gegebenes Mitverschulden des Berechtigten zu be-
          rücksichtigen. Hierzu zählt u. a. die Nichtgeltendmachung von
          primärem Rechtsschutz.
            Wie oben bereits beschrieben, erfolgt die Durchsetzung   Durchsetzung im deutschen
          des Anspruchs nach dem jeweiligen nationalen Haftungsrecht.       Recht
          In Deutschland ist Art. 34 GG/§ 839 BGB unter Beachtung
          der Grundsätze der Effektivität und Nichtdiskriminierung
          heranzuziehen. Danach darf die Geltendmachung des uni-
          onsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs gegenüber dem nati-
          onalen nicht erschwert oder ungünstiger sein. Die dreijährige
          Verjährungsfrist des dt. Rechts steht damit in Einklang, da
          sie die Ausübung des EU-Rechts nicht praktisch unmöglich
          macht. Problematisch ist jedoch, dass nach § 204 I Nr. 1. BGB
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