Page 165 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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5.3 • Sekundärrechtsetzung
pflicht, Art. 296 II AEUV und die Unterzeichnung und Be-
kanntmachung von Rechtsakten, Art. 297 AEUV. Die Begrün-
dung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst
sein und die Überlegungen des den Rechtsakt erlassenen Ge-
meinschaftsorgans so klar und eindeutig zum Ausdruck brin-
gen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassenen
Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht
seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Entscheidend sind
somit die Umstände des Einzelfalls; auch eine sehr knappe
Begründung kann ausreichend sein, da nicht alle tatsächlich
oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu wer-
den brauchen (Nuova Agricast, Slg. 2008, I-2623).
Gesetzgebungsverfahren: Das Gesetzgebungsverfahren wird Ordentliches und besonderes
in ein ordentliches und in besondere Gesetzgebungsverfahren Gesetzgebungsverfahren
unterteilt, Art. 289 AEUV. Das ordentliche Gesetzgebungsver-
fahren ist der Regelfall und in Art. 294 AEUV niedergelegt.
Die besonderen Gesetzgebungsverfahren müssen im Vertrag
jeweils ausdrücklich genannt sein.
In Gesetzgebungsakten kann die Durchführungskompetenz Gesetzgebungsakte werden im
auf die Kommission übertragen werden, Art. 290 AEUV. Diese Amtsblatt Teil L veröffentlicht.
kann dann Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Durchführungskompetenz bei
Geltung annehmen. Die Kompetenz zur Durchführungsrechts- der Kommission
setzung ist der im dt. Recht bestehenden Verordnungskomptenz
der Exekutive (Art. 80 GG) vergleichbar. Die Übertragung ist
jederzeit widerrufbar und im herrschenden Gesetzgebungsakt
müssen Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnis-
übertragung genau festgelegt werden. Die Durchführungsakte
werden im Amtsblatt L2 veröffentlicht und sie sind Rechtsakte
mit Verordnungscharakter laut Art. 263 IV AEUV.
Die MS ergreifen gemäß Art. 291 AEUV die erforderlichen
Maßnahmen zur Durchführung der Rechtsakte der EU nach
dem jeweiligen innerstaatlichen Recht. Zu beachten haben die
MS dabei den unionsrechtlichen Grundsatz der Effektivität,
sie müssen dem Unionsrecht zu dessen voller Wirksamkeit
verhelfen.
Das besondere Gesetzgebungsverfahren tritt in unter- Besonderes Gesetzgebungs-
schiedlichen verfahrensmäßigen Formen auf. Es wird ange- verfahren
wandt, wenn die Ermächtigungsnorm das Gesetzgebungs-
verfahren ausdrücklich bezeichnet, vgl. Art. 115 AEUV. Die
Annahme von Rechtsakten geschieht entweder durch das EP
mit Beteiligung des Rates oder durch den Rat mit Beteiligung
des EP. Beteiligung kann auch nur Anhörung bedeuten.
Die vorher bestehenden Verfahren der Zusammenarbeit Ordentliches Gesetzgebungs-
und der Mitentscheidung sind nunmehr aufgegeben worden. verfahren, Art. 289 AEUV
Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren ist nunmehr deren
Nachfolger und dem Verfahren der Mitentscheidung verwandt.