Page 17 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          1.3  •  Die Idee Europa


          der Entstehung des Römischen Reiches und später der Völker-
          wanderung nach Germanien dehnte sich der Begriff sozusagen
          von selbst Richtung Westen und Norden aus. Heute bezeichnet
          Europa eine Vielfalt von differenzierten nationalen und regio-
          nalen Kulturen und Sprachen.
            Seit dem Ende des römischen Reiches um ca. 500 n. Chr.   Die europäische Einigung ist
          träumte die europäische Kulturgemeinschaft davon, Europa   eine politische und wirtschaft-
          wieder zu einer politischen Einheit zusammenzufügen. Als   liche Notwendigkeit.
          Christenheit sah sich die mittelalterliche Gesellschaft in einer
          res publica christiana unter der weltlichen Leitung des Kaisers
          und der spirituellen des Papstes vereint. Durch das Erstarken
          der nationalstaatlichen Königreiche entstanden Pläne, die eine
          Vereinigung nicht durch die Oberhoheit des Herrschers, son-
          dern durch einen Fürstenbund entwarfen. Auf der politischen
          Ebene versuchten die Reiche, Vorherrschaften (Hegemonien)
          zu errichten (England, Frankreich und Spanien). Der letzte
          Versuch dazu durch das nationalsozialistische Deutschland
          verursachte eine Katastrophe, die die Notwendigkeit der
          Schaffung eines gemeinsamen Europas deutlich machte. Die
          Vereinheitlichung geschah durch die Römischen Verträge, wel-
          che die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die
          Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) begründeten.
          Die EWG wurde durch den EU-Vertrag 1993 in Europäische
          Gemeinschaft (EG) umbenannt. Durch den Vertrag von Lissa-
          bon endete die rechtliche Existenz der EG und es gibt, neben
          dem Euratom, nur noch die Europäische Union (EU).
            Nach dem 2. Weltkrieg war Europa zwar geteilt, aber die
          Trennung in Sieger und Besiegte, in Gute und Böse wurde
          schnell überwunden. Man war davon geleitet, Kriege in Zu-
          kunft zu verhindern und wieder Einfluss in der Welt zu ge-
          winnen. Der Ost-West-Konflikt hat die westliche Europäische
          Integration dann entscheidend beschleunigt. Nach dem Zu-
          sammenbruch des Ostblocks wurde die Idee eines Zusam-
          menschlusses auch für die mittel- und osteuropäischen Staaten
          attraktiv.

          Europa und der Stier
          Genauso spannend wie diese historischen Fakten ist aber die   Europa und der Stier
          Sage, die sich um die Namensgeberin Europas rankt. Schon
          beim griechischen Ursprung des Wortes „Europa“ hat sich der
          eine oder die andere an Europa und den Stier erinnert.
            Europa war eine phönizische Königstochter. Zufälligerweise   Aus Phönizien wurde die
          traf sie eines Tages beim Spiel am Strand auf einen prächtigen   Namensgeberin Europas
          weißen Stier. Der Stier näherte sich Europa und ihren Freun-  unfreiwillig, aber zollfrei nach
          dinnen und legte sich neben sie. Europa konnte es sich nicht   Europa importiert.
          verkneifen, den Stier zu tätscheln und schließlich auf seinen
          Rücken zu steigen. Das hätte sie besser nicht tun sollen, denn
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