Page 220 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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214 Kapitel 6 • Materielles Recht und Rechtsschutz in der EU
stärkere Stellung öffentlicher Akteure wie dem Land Nds. ge-
schehen soll.
Zahlungsverkehr Für die Zahlungsverkehrsfreiheit gelten im Wesentlichen
2 Zahlungen = rechtsgeschäft- die gleichen rechtlichen Grundlinien wie für die Freiheit des
liche Erfüllungen bestehender Kapitalverkehrs. Die einschneidensten Beschränkungsgründe,
Schulden durch Geldmittel Art. 65 AEUV, gelten für beide Freiheiten.
jedweder Art Wenn ein Portugiese, der in Dänemark Arbeitnehmer ist,
einen Teil seines Arbeitslohns nicht nach Hause an seine Familie
überweisen kann, ist die Freizügigkeit für ihn nicht voll verwirk-
licht.
Zahlungen im Sinne des Art. 63 II AEUV sind alle rechts-
geschäftlichen Erfüllungen bestehender Schulden durch
6 Geldmittel jedweder Art. Strittig ist die Einordnung etwa für
grenzüberschreitende Zahlungen aufgrund „ungerechtfertig-
ter Bereicherung“, einer Anspruchsgrundlage des Zivilrechts
(§ 812 BGB).
Grenzüberschreitende Mit- Eine praktisch bedeutsame Ausnahme von der Zahlungs-
nahme von Banknoten verkehrsfreiheit gilt allerdings für die Mitnahme von Bankno-
ten über eine innerunionale Grenze. Früher war hier von den
meisten Mitgliedstaaten nur eine Mitnahme im „notwendigen“
Umfang gestattet (Casati, Slg. 1981, 2617).
Nach Luisi und Carbone, Slg. 1984, 406, und der RL 88/361
sind solche Beschränkungen aber nur noch zulässig, soweit
sie verhältnismäßig sind (Brugnoni und Ruffinengo, Slg. 1986,
2 2013). Die allgemeine Anwendung des Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes für alle Grundfreiheiten ergibt sich auch aus
Art. 5 IV EUV.
2 Embargo-Ausnahmemög- Art. 75 AEUV erlaubt Maßnahmen des Europäischen
lichkeit Parlamentes und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung
2 des Terrorismus, um den Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts im Sinne des Art. 67 AEUV, zu gewährleisten.
Zu diesen Maßnahmen können das Einfrieren von Geldern,
2 von finanziellen Vermögenswerten oder von wirtschaftlichen
Erträgen gehören. Den Betroffenen muss in den entsprechen-
2 den Rechtsakten die Möglichkeit des Rechtsschutzes gewährt
werden, damit sich diese gegen unberechtigte Maßnahmen
2 gegen sie verteidigen können. Die Vorgängervorschrift des
Art. 60 EGV wurde durch den VvL unter Berücksichtigung
des Kadi-Urteils des EuGH (Slg. 2008, I-6351) strukturell ge-
2 ändert.
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