Page 221 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          6.9  •  Die weiteren Politiken der EU

          6.8   Generelles zur Prüfung
               der Grundfreiheiten

          Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes lassen sich fol-
          gende generelle Schlüsse zur Prüfung der Grundfreiheiten
          ziehen:
            Alle direkten und indirekten oder versteckten Diskriminie-  Immer zu beachten!
          rungen werden von den Grundfreiheiten erfasst, die zu einer
          Beschränkung des weit auszulegenden Anwendungsbereiches
          der betreffenden Grundfreiheit führen können.
            Die ausdrücklich im AEUV genannten Rechtfertigungs-
          gründe sind eng und autonom unionsrechtlich auszulegen und
          nur bei Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit
          anwendbar.
            Bei versteckten Diskriminierungen (oder Beschränkun-
          gen), d. h. auf In- und Ausländer gleichermaßen anwendbare
          Maßnahmen, die aber faktisch Ausländer stärker als Inländer
          betreffen, ist auf die zwingenden Gründe des Allgemeinwohls
          zur Rechtfertigung der in Rede stehenden staatlichen Maß-
          nahme zurückzugreifen.
            Ferner muss die staatliche Maßnahme sowohl bei offener
          als auch bei versteckter Diskriminierung noch verhältnismäßig
          sein, damit sie eine Grundfreiheit einschränken kann.


          6.9   Die weiteren Politiken der EU

          Neben den vier Grundfreiheiten hat die EU noch in vielen wei-
          teren Politikbereichen Regelungskompetenzen, die wichtigsten
          werden im Folgenden kurz erläutert.


          6.9.1  Raum der Freiheit der Sicherheit
                und des Rechts

          Der Titel V betreffend des „Raums der Freiheit, der Sicher-  Politisch sensibler Bereich
          heit und des Rechts“ (RFSR) des AEUV wurde gegenüber
          den Vorgängerbestimmungen des EGV durch die Integrie-
          rung der ehemaligen dritten Säule „Polizeiliche und Justizi-
          elle Zusammenarbeit in Strafsachen“ deutlich erweitert. Er
          ist politisch sensibel, weil damit in einen Kernbereich nati-
          onalstaatlicher Souveränität eingegriffen wird, wie man ge-
          rade in der „Flüchtlingskrise“ sehr gut sehen kann. Deutlich
          geändert wurde bereits das 1. Kapitel, welches allgemeine
          Bestimmungen für den Raum der Freiheit, der Sicherheit
          und des Rechts enthält. Insgesamt ist der Titel in fünf Kapitel
          unterteilt.
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