Page 223 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          6.9  •  Die weiteren Politiken der EU


          fen werden. Dazu gehört, dass der einzelne EU-Bürger nicht
          mehr zwangsläufig bei innerunionalen Grenzüberschreitun-
          gen kontrolliert wird. Ferner wird noch das Verfahren bei der
          Überschreitung und dem Schutz der Außengrenzen bezüglich
          der Ein- und Ausreise von Drittstaatlern geregelt. Nach dem
          EU-Grenzkodex sind Kontrollen im Landesinneren weiterhin
          möglich (Art. 11 VO 562/2006, ABl. 2006L 105/1). Diese Rege-
          lungen stehen im Falle eines ungeregelten Massenzuzugs unter
          besonderem politischen Druck.
            Art. 78 AEUV behandelt die Rechtsstellung von Flüchtlin-  EU-Recht muss im Einklang mit
          gen und Asylsuchenden, wobei die Politik mit den einschlägi-  dem Völkerrecht stehen.
          gen völkerrechtlichen Vorschriften in Einklang stehen muss
          und dem Grundsatz der Nicht-Zurückweisung verpflichtet
          ist; die Grenzen werden momentan ausgelotet. Die mögli-
          chen Maßnahmen sind wiederum in Absatz 2 der Vorschrift
          genannt und sie werden gemäß dem ordentlichen Gesetzge-
          bungsverfahren beschlossen.
            Art. 79 AEUV ist eine Spezialregelung für die Einwande-  Migrationspolitik
          rungspolitik. Die Migrationspolitik ist in den letzten Jahren
          zu einem größeren politischen Problembereich geworden. Die
          Regelung ermöglicht den Erlass von Maßnahmen hinsichtlich
          des legalen Aufenthalts auf dem Gebiet der Union und die
          Regelung des Umgang mit illegal sich auf dem EU-Gebiet be-
          findlichen Personen.
             Das folgende, nur aus Art. 83 AEUV bestehende Kapitel,   Justizielle Zusammenarbeit
          regelt die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Die Po-  in Zivilsachen: praktisch sehr
          litik ist auf die grenzüberschreitende Anerkennung gericht-      wichtig.
          licher und außergerichtlicher Entscheidungen gerichtet. Zur
          Herstellung des Binnenmarktes ist es notwendig die nationalen
          Regeln über das internationale Privatrecht zu harmonisieren.
          Ohne eine Harmonisierung stand z. B. im Falle der Urteilsvoll-
          streckung der lange Zeitraum, welchen die Vollstreckung eines
          deutschen Urteils (eines Titels) in Spanien benötigt, der Schaf-
          fung eines Binnenmarktes im Wege. Beispiel: Der säumige
          Schuldner eines Kaufvertrages hält sich in Madrid auf. Dann
          muss der deutsche Titel in Spanien von spanischen Behörden
          durchgesetzt werden. Das Verfahren hierzu richtet sich nach
          internationalem Zivilvollstreckungsrecht und ist sehr langwie-
          rig. Deswegen wurde die VO 1215/2012 über die gerichtliche
          Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
          Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO,
          ABl. 2001L 12/1) verabschiedet. Besondere Regelungen gel-
          ten für den sensiblen Bereich des Familienrechts, Art. 81 III
          AEUV.                                            Justizielle Zusammenarbeit in
            Die Perforierung der Staatsgrenzen innerhalb der EU, er-    Strafsachen
          möglicht vor allem durch die Verträge und die, die Personen-   Problem der grenzüberschrei-
          und Warenkontrollen an den Grenzen beseitigenden Schen-  tenden Kriminalität.
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