Page 255 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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6.10 • Der Rechtsschutz gegen Unionsrecht
Mahnschreiben, Stellungnahme und Klage müssen die glei-
chen Beanstandungen und Begründungen enthalten. Wenn
alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Klage zulässig,
d. h., der EuGH wird sich auch mit dem materiellen Teil aus-
einandersetzen.
- Die von der Kommission behaupteten Tatsachen müssen Begründetheit der Klage
Als Voraussetzungen für die Begründetheit gelten:
- diese Tatsachen müssen gegen EU-Recht verstoßen,
zutreffen,
-
die Tatsachen müssen dem Mitgliedstaat zurechenbar
sein, d. h., er muss dafür verantwortlich sein (Handeln
von Gesetzgebungsorganen: Kommission/Italien, Slg.
1970, 966; Behörden von Gliedstaaten: Costanzo/Milano,
Slg. 1989, 1939):
Beispiel: Ein nationales Gericht weigert sich, eine – unmittelbar
geltende – Verordnung auf einen Fall anzuwenden, obwohl sie
anwendbar ist, und wendet stattdessen nationales Recht an.
Wegen des Vorrangs des Unionsrechts ist nationales Recht in
diesem Bereich nicht mehr anwendbar. Durch die Anwendung
nationalen Rechts hat ein Organ des Mitgliedstaates (das Ge-
richt) gegen Unionsrecht verstoßen, nämlich gegen Art. 288
II AEUV. Dieser besagt, dass Verordnungen allgemein und
unmittelbar gelten. Ist die Klage begründet, erlässt der EuGH
ein mit einem Zwangsgeld durchsetzbares Feststellungsurteil
(Art. 260 AEUV).
Ein Feststellungsurteil wird deshalb erlassen, weil die Feststellungsurteil und
EU keine Möglichkeit der Urteilsvollstreckung hat. Die Ver- Zwangsgeld
pflichtung des Staates zur Befolgung des Urteils ergibt sich aus
Art. 260 I AEUV i. V. m. Art. 4 III EUV. Kommt der Mitglied-
staat der Feststellungsverpflichtung nicht nach, so kann der
EuGH die Zahlung eines Zwangsgeldes verhängen, Art. 260 II
AEUV, dessen Höhe im Rahmen eines festgelegten Spielraumes
in seinem Ermessen liegt (Für die Bundesrepublik schlägt die
Kommission ein Zwangsgeld zwischen 13.188 bis 830.310 €/
Tag vor. Die Bandbreite richtet sich nach der Schwere des Ver-
stoßes; s. Kommissionsmitteilung Anwendung von Art. 228
EG [SEK (2005)]; Bsp.: KOM/Frankreich, Slg. 2005, I-6263).
Nach Art. 260 III AEUV kann die Kommission bei bestimmten
Verstößen bereits im Verfahren nach Art. 258 AEUV die Höhe
des Zwangsgeldes benennen.
Die Vertragsverletzungsklage Mitgliedstaat gegen Mit-
gliedstaat ist ähnlich ausgestaltet.