Page 260 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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254  Kapitel 6  •  Materielles Recht und Rechtsschutz in der EU


                                  (s. nur Staatshaftung und Cassis) eine eher überraschende
                                  Begründung, die auch nicht vollends überzeugt, da die Tatbe-
                                  standsmerkmale von Art. 263 IV AEUV in der vom GA vor-
   2                              geschlagenen Weise nur anders ausgelegt, aber nicht formal
                                  aufgehoben würden.
          Entscheidung an Dritte adres-  Falls eine Entscheidung an Dritte adressiert ist, liegt eine in-
          siert                   dividuelle und unmittelbare Betroffenheit dann vor, wenn dem
                                  Kläger im vorhergehenden Verwaltungsverfahren vor der Kom-
                                  mission Beteiligungsrechte zukamen (Metro, Slg. 1977, 1875).
                                     Unter die möglichen nichtprivilegierten Kläger fallen auch
                                  rechtsfähige Untergliederungen eines Bundesstaates, wie etwa
                                  Bundesländer, Regionen, Bezirke (Wallonien, Slg. 1988, 1573;
   6                              Freistaat Sachsen, Slg. 1999, II-3663).
                                     Eine besondere Klagebefugnis gilt bei den Klagen des Rech-
                                  nungshofs, der EZB und des Ausschusses der Regionen, die nur
                                  klagen können, wenn ein Rechtsakt in ihre Rechte eingreift.
          Klagefrist                 Die letzte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Klage nach
          Zweimonatsfrist         Art. 263 AEUV ist die Einhaltung der Zweimonatsfrist, Ab-
                                  satz 6. Dazu gerechnet wird die Entfernungsfrist, Art. 81 §
                                  2 VerfOEuGH (od. Art. 102 VerfOEuG).
                                     Bei Ablauf der Klagefrist des Art. 263 VI AEUV ist es
                                  in bestimmten Fällen noch möglich, die Unanwendbarkeit
                                  einer Verordnung vor dem EuG geltend zu machen, siehe
                                  Art. 277 AEUV. Das liegt darin begründet, dass die rechts-
   2                              widrige Verordnung mit Ablauf der Klagefrist bestandskräftig
                                  wird und nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann. Das
                                  Gericht kann dann nur noch aussprechen, dass die rechtswid-
   2                              rige Verordnung nicht angewendet wird. Voraussetzung ist al-
                                  lerdings, dass die Frage der Rechtmäßigkeit einer Verordnung
   2                              in einem anderen Rechtsstreit als einer Nichtigkeitsklage auf-
                                  geworfen wird. Die Nichtigkeitsklage kann wegen Verfristung
                                  nicht mehr erhoben werden.
   2                                 Der Fristbeginn bestimmt sich nach Art. 80 § 1 und Art. 81
                                  § 1 Verf-OEuGH od. Art. 101, 102 VerfOEuG und je nach
   2                              -   mit Bekanntgabe des Rechtsaktes im Amtsblatt der EU,
                                  Sachverhalt:

   2                              -  Serie L (législation = Gesetzgebung, L 1 oder L 2), so bei
                                     Verordnungen und Richtlinien,

   2                                  bei Mitteilung an den Kläger, so bei der Bekanntgabe
                                     einer Entscheidung etwa durch eingeschriebenen Brief
                                     oder förmliche Zustellung an den Kläger,
   2                              -   falls weder Amtsblattbekanntgabe noch Mitteilung in
                                     Frage kommen (etwa bei einer Entscheidung, die einen
                                     Dritten unmittelbar und individuell betrifft), sobald der
   2                                 Dritte und Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt
                                     hat.
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