Page 55 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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3.2 • Die EMRK
verschließt sich einer pauschalen Beurteilung. Die meisten
Antiterrorgesetze erfüllen diesen strikten Standard eher nicht
(ähnlich bzgl. Bosnien-Herzegowina und der Auslieferung
mehrerer Personen nach Guantanamo-Bay, MrK B/H, HRLJ
2002, 435, Rz. 267; Richtlinien des Ministerkomitees des Eu-
roparates bezüglich Menschenrechten und des Kampfes gegen
den Terror vom 15.7.2002, HRLJ, 2002, 413).
Das Gleichheitsrecht des Art. 14 EMRK ist ein unselb- Art. 14 ist ein unselbständiges
ständiges Recht und immer in Verbindung mit einem ande- Recht.
ren Konventionsrecht zu prüfen. Ferner ist es bei Vorliegen Negative und positive Gewähr-
der Verletzung eines Freiheitsrechtes nur zu prüfen, wenn die leistungen
Verletzung des Gleichheitsrechtes gegenüber dem Freiheits-
recht einen eigenständigen Charakter aufweist. Zuerst ist auch
hier der Schutzbereich der Norm zu prüfen. Danach muss eine
sachliche Ungleichbehandlung von gleichen Sachverhalten
oder eine sachliche Gleichbehandlung von ungleichen Sach-
verhalten gegeben sein (zur Vereinbarkeit der allgemeinen
Wehrpflicht für Männer mit Art. 14 EMRK s. BVerwG, NJW
2006, 2871).
Als Menschenrechte sind die in der EMRK gewährleisteten
Rechte klassische Abwehrrechte gegenüber dem Staat (negative
Schutzpflichten). Eine positive Verpflichtung wird vom EGMR
bei einigen Konventionsrechten angenommen, hierzu gehören
nach der (nicht abschließenden) Rechtsprechung, Art. 2 I, 3, 8,
10, Art. 1 und 2 ZP I EMRK. Die MS sind z. B. verpflichtet, alles
zu tun, um das Leben der Personen zu schützen, ansonsten läge
ein Verstoß gegen Art. 2 I EMRK vor. Ein bloßes Untätigblei-
ben reicht zur Erfüllung der Verpflichtung nicht aus. Davon
zu trennen ist die positive Verpflichtung aller Mitgliedstaaten,
mit allen Mitteln die Einhaltung der Konventionsrechte zu ga-
rantieren (hierzu: EGMR, Ilascu, Urt. v. 9.7.2004, Rz. 332 ff.).
3.2.3 Der Anwendungsbereich der EMRK
Mit „Anwendungsbereich“ ist der Geltungsumfang eines Ver- Persönlicher, sachlicher, räum-
trages gemeint. Er wird häufig noch in die Bereiche sachlich licher und zeitlicher Anwen-
(ratione materiae), persönlich (ratione personae), räumlich dungsbereich
(ratione loci) und zeitlich (ratione temporae) unterteilt.
Zeitlich gilt die Konvention erst ab Inkrafttreten des Ver-
trages für den betreffenden Mitgliedstaat. Räumlich gilt sie auf
dem Territorium des betreffenden Staates (und eventuell auch
auf abhängigen Gebieten), Art. 56 EMRK. Persönlich sind zum
einen natürliche und juristische Personen und zum anderen
Personengruppen (d. h. Firmen, Vereine, Gesellschaften etc.)
umfasst, Art. 1, 34 EMRK, allerdings nur, wenn ihnen nach
den materiellen Bestimmungen Rechte zustehen können. Ein