Page 62 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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56 Kapitel 3 • Der Europarat und die EMRK
NJW 2006, 2753). Auch die Begründung von Entscheidungen
ist ein Aspekt des fairen Verfahrens
Das gesetzlich vorgesehene Gericht muss unabhängig sein,
2 jegliche Art von Beeinflussung ist untersagt. Dies ist regelmä-
ßig problematisch bei Militärtribunalen, in denen die Richter
3 auch Armeeangehörige sind (Morris, EGMRE 2002-I, 387).
„Unparteilichkeit“ liegt vor, wenn die Richter objektiv und
subjektiv der Sache gegenüber unvoreingenommen sind. Das
Verfahren muss öffentlich sein, nach Art. 6 I 2 EMRK kann
die Öffentlichkeit unter bestimmten, dort genannten Gründen
ausgeschlossen werden.
Das Urteil muss in angemessener Frist ergehen. Dies ist die
am häufigsten gerügte Konventionsnorm. Die Frist für ein zeit-
lich angemessenes Strafverfahren beginnt mit der Festnahme
oder mit der Eröffnung gegenüber einer Person, dass gegen
sie ein Strafverfahren läuft. Das Ende der Frist fällt auf den
Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung. Der Grundsatz
gilt aber auch für zivilrechtliche Verfahren. Ob die Dauer eines
Verfahrens angemessen gewesen ist, beurteilt der EGMR nicht
schematisch, sondern nach Abwägung aller Umstände des Ein-
zelfalles (z. B. abgelehnt bei: Eckle u. Eckle, EuGRZ 1983, 371:
angenommen bei: Sürmeli, NJW 2006, 2389). Verschiedene
Faktoren sind bei der Abwägung zu berücksichtigen, vor al-
lem die juristische Komplexität des Falles, die Schwere eines
2 Vergehens, die betroffenen Werte, die Kooperation des/r Be-
troffenen, um den Prozess zu beschleunigen, etc.
Recht auf Zugang zu einem Geschützt wird auch das Recht auf Zugang zu einem Ge-
2 Gericht richt und als Unterfall, der effektive Rechtsschutz, wozu auch
die Durchsetzung eines Urteils gehört. Ein Recht auf einen In-
2 stanzenzug lässt sich der Konvention nicht entnehmen, wenn
er gewährleistet wird, ist er allerdings einzuhalten. Dies wird
im Strafrecht für die MS durch Art. 2 ZP VII sichergestellt.
2 Problem der Staatenimmunität Jedoch gilt das Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht
uneingeschränkt, es unterliegt Schranken. Diese ergeben
2 sich hauptsächlich aus dem Völkerrecht, weil die Konvention
nicht gegen völkerrechtliche Regeln verstoßen soll. Wichtig ist
2 zum einen die sog. Staatenimmunität, wonach ein Staat nicht
über einem anderen zu Gericht sitzen soll (dazu: Al-Adsani,
EGMRE 2001-XI, 79, 403; Lorenzmeier, Völkerrecht, 3. Aufl.
2 2016, Abschn. 2.3.5.1) und zum anderen aus völkerrechtlichem
Vertrag kommende Begrenzungen (instruktiv hierzu Hans-
2 Adam II, EGMRE 2001 -VIII, 1). Andere Fälle von Zugangs-
beschränkungen sind der Anwaltszwang sowie Form- und
Fristerfordernisse.
2 Die Unschuldsvermutung des Art. 6 II EMRK bedeutet,
dass eine strafrechtlich verfolgte Person erst mit dem Urteil als
Straftäter angesehen wird; bis zum Urteil wird unterstellt, dass