Page 14 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
P. 14

Mama in der Mitte, links und rechts von uns je zwei Brü-
         der, die Füße der Brüder im Gesicht und den Hintern auf
         dem eiskalten Beton; ich weiß nicht mehr, wie lange es
         dauerte, bei dieser Kälte einzuschlafen. Dennoch himmli-
         sche Wärme an Mutters Seite, Essen hin oder her, c’est
         la vie. Eines Tages gab es bei uns einen Riesentumult mit
         Kindern, alle mussten in Reih und Glied stehen und wur-
         den begutachtet. Dann befahl man ihnen, sich nackt aus-
         zuziehen; wer dem nicht nachkam, wurde brutal zusam-
         mengeschlagen, Mädchen wie Knaben. Die Eltern schau-
         ten oft teilnahmslos zu, sie waren oft zu schockiert oder
         dachten, ihre Kinder kämen in eine bessere Zukunft oder
         ins Schlaraffenland. Die, die etwas gegen den Missbrauch
         an ihren Kindern auszusetzen hatten, wurden sofort ge-
         mahnt, denn sie bekamen dafür Geld oder einen Vertrag
         und mussten einfach ihr Herz verschließen. Man schaute
         den  Kindern  ihr  Gebiss  an,  wie  beim  Schlachtvieh,  und
         langte  brutal  zwischen  ihre  Beine,  wer  sich  wehrte  be-
         kam den Stiefel voll in die Eingeweide oder an den Kopf,
         man riss ihnen an den Haaren – war das ein Wimmern
         und Wehklagen! Plötzlich war der Spuk vorbei, und die
         Kinder wurden wie Vieh verfrachtet und abtransportiert.
         Bei meiner Mutter war das auch der Fall, ich wurde Ihr
         durch falsche Versprechen weggenommen und musste in
         der Schweiz bleiben. Eines Tages saß ich draußen, es war
         trüb und nebelig, und da fiel er vom Himmel, ein riesiger
         runder  Fels  in  Nachbars  Garten,  ich  dachte,  so  richtig
         maßgeschneidert! Niemand wurde verletzt. Es gab genau
         noch einen schmalen Zugang zum Haus, auch der Zaun
         war noch da, oh, war das ein Gejammer am Abend, als
         die  Besitzerin  nach  Hause  kam!  Ich  schaute  ein  wenig
         durch  den  Vorhang,  meine  Mutter  sagte  mir  sofort;



         14
   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18   19