Page 17 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
P. 17
geliebter Sohn, dich wird jetzt dann jemand holen, und
du darfst in eine ganz nette Familie, in ein neues Land,
aber dafür muss ich dich jetzt waschen, schau, ich habe
für dich extra eine wohlriechende Seife gekauft. Dann
wusch mich meine geliebte Maman von Kopf bis Fuß in
dem metallenen Zuber. Plötzlich tauchte aus dem Nichts
ein fremder Mann auf, ich sah sofort seine kalten und
berechnenden Augen. Da wusste ich; kämpfe deinen
Kampf des Lebens und versuche, bei deiner geliebten
Maman zu bleiben. Ich klammerte mich wie ein Verrück-
ter an dem Metallzuber fest und versuchte, im Schmutz-
wasser unterzutauchen, mit dem Gedanken, dass mich
niemand sieht, schrie immer wieder: „Maman, Maman,
meine geliebte Maman, ich will bei dir bleiben, auch
wenn ich sterben muss! Als Kind, das dauernd ums Über-
leben kämpfen muss, hat man teilweise ein Gedankengut
wie ein Erwachsener, unglaublich aber wahr. Da hatte ich
mein erstes Trauma, und es sollten noch weitere folgen.
In der Zwischenzeit kam ich für einige Tage oder Wochen
zu wildfremden, aber sehr freundlichen Personen. Am
Tage saß ich regungslos da; ich war gefühlsmäßig am
Boden zerstört und versuchte, einen klaren Gedanken zu
fassen, aber das gelang mir in keiner Weise, ich war in
einer völlig blockierten Welt gefangen, rein als Selbst-
schutz. Am Abend nach der Schule kam dann deren
Tochter nach Hause und versuchte mit mir, mit viel Liebe
und Hingabe zu spielen. Leider verstand sie eben nicht
was in mir ablief, wie sollte sie auch? Ich bat sie, mich
alleine zu lassen, und sie ging wieder weg. Vielleicht
wohnte ich ein paar Tage oder Wochen bei Abbé Pierre
oder sonst einer Familie. Eines Tages erschien plötzlich
wieder der fremde Herr. Er sagte mir nur; mein kleiner
17