Page 23 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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hen. Meine Maman und mein kleiner Bruder bekamen
nicht mal was zu trinken, durften sich in keiner Art und
Weise ausruhen. Wie groß musste die Sehnsucht nach
uns Kindern sein! Sie hatte auch keinerlei Geld mehr
dabei, um zurück in die Stadt Zürich zu gelangen. Natür-
lich passierte das alles unter dem Segen Gottes. Diese
Geschehnisse können meine Maman und ich auch nie
vergessen, wie einiges mehr. Irgendeine Hilfsorganisati-
on in der Stadt gab ihr dann Geld, dass sie sich und dem
Kind etwas zu trinken kaufen konnte und damit beide zu
etwas Essbaren kamen, nach Stunden der Qual, nur um
ein wenig auszuruhen, bevor es weiterging mit dem ver-
lorenen Ruf nach Gerechtigkeit. Da meine Maman in der
Vergangenheit keinerlei Unterstützung bekommen hatte
und von dem Pfarrer fast täglich denunziert wurde,
musste sie in nach Genf zu den kleinen Schwestern mit
dem jüngsten Halbbruder Alexandre. Dort beherrschte
sie die Sprache und fand auch jegliche Unterstützung. Da
der Pfarrer nicht mehr wollte, dass unsere Maman zu uns
Kontakt pflegen konnte, mobilisierte er vermutlich jegli-
che Behörden, Bundespolizei, Vormundschaft in der
Schweiz und in Frankreich sowie das französische Konsu-
lat in Zürich, vermutlich auch die Heilsarmee in Zürich
und Paris – Frankreich. Hunderte Briefe meiner Maman,
die über Jahrzehnte durch Herrn und Frau Pfarrer unter-
schlagen wurden; sehr fürsorglich, finde ich – Gott segne
sie. Mein Bruder, sowie meine Schwester Simone und ich
entdeckten Hunderte an uns gerichtete Briefe, um-
schlungen mit einer roten Schleife. Als ich fünf Jahre alt
war, kam im Juli oder August 1960 mein Bruder P. in die
Schweiz. Er war eher nach dem Geschmack der Pfarrfa-
milie, denn P. war blond wie der Rest der Familie. Er kam
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