Page 25 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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wohlhabend;  oft  ging  ich  unter  der  Woche  auch  von
          Haus zu Haus und bekam zwischen 20 bis 100 Franken an
          einem Tag. Leider gefiel das vielen nicht, somit machte
          ich das höchstens zwei Jahre lang. Das sollte sich in Zu-
          kunft  sehr  oft  wiederholen,  dass  man  mir  immer  das
          Geld entwendete in meinem Leben. Sobald ich auf Bet-
          teltour war und wieder im Pfarrhaus, wurde es mir von
          der Pflegemutter entwendet. Wir brauchen das Geld für
          die ganze Familie, um uns Essen zu besorgen. Wenn ich
          zurückdenke,  waren  das  ein  paar  Tausend  Franken. Ein
          Franzose,  der  nicht  französisch  spricht  –  oft  verfolgte
          mich das Gelächter, noch jahrelang. Das Einzige, was mir
          half,  war, mein  Inneres  zu  verschließen. Dieses  Trauma
          verfolgt  mich  bis  zum  heutigen  Tag.  Habe,  was  meine
          Sprache  anbelangt,  leider  immer  noch  eine  seelische
          Barriere.  Verstehe  nur  sehr  wenig,  oft  auch  gar  nichts,
          weil ich mich plötzlich innerlich verschließe. Die Kommu-
          nikation in meiner eigenen Sprache zu unterbinden, für
          mich  noch  traumatischer  als  die  Trennung  von  meiner
          geliebten Maman. Nebenbei wurde ich auch von diver-
          sen Männern missbraucht, im Pfarrhaus und außerhalb.
          Warum gehst du dann zu diesen Männern, warum läufst
          du  nicht  einfach  davon,  Michel,  hieß  es  vonseiten  der
          Frau Pfarrer! Wie sollte ich denn das als Kind, auch ohne
          jegliche  Anhörung  und  Unterstützung!  Mein  Bruder  P.
          kotzte  einmal  zwei,  drei  Tage  lang,  als  man  uns  einen
          Pädophilen  ins  Zimmer  tat,  der  uns  stundenlang  miss-
          brauchte.  Frau  Pfarrer  sagte  am  nächsten  Tag  nur  lä-
          chelnd  und  herablassend,  es  sei  doch  sicher  nicht  so
          schlimm  gewesen,  wir  sollen  doch  nicht  ewig  übertrei-
          ben. Ich erklärte ihr nur, mir ginge es mehr um meinen
          Bruder, der kotze schon den ganzen Tag Galle. Das Wun-



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