Page 12 - Michaels_Buch Februar_neu
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jedem Turnunterricht grauste mir. Während meine Kameraden an der Stange oder dem Seil
            emporkletterten, schaffte ich es nur so hoch, wie ich springen konnte und platschte dann gleich
            wieder wie ein nasser Sack auf die Matte. Ich habe nie einen Klimmzug geschafft und Liegestütze
            erst recht nicht. Alles, was mit Sport zu tun hatte, habe ich verabscheut. Wenn wir Fußball spielen
            mussten, haben sich die zwei besten Spieler ihre Mannschaften nach und nach aus den Mitspielern
            ausgesucht. Ich blieb bis zum Schluss übrig und wurde dann meistens ins Tor gestellt. Wenn ein
            scharf geschossener Ball auf mich zu gesaust kam, ging ich lieber in Deckung, als meine
            Gesundheit zu gefährden. Mein Turnlehrer war ein ganz fieser Geselle. Statt sich eines Schülers
            anzunehmen, der in dem Fach große Probleme hatte, machte er sich über mich lustig und gab mir
            vor meinen Mitschülern den Spitznamen „Nasemann“. Er hat mich anders nie genannt und mir das
            Leben zur Hölle gemacht.


            Mein zweites Hass-Fach war der Kunstunterricht. Wir Schüler waren mit Wasserfarbkästen und
            Zeichenblöcken ausgestattet. An einem Tag gab uns unser Kunstlehrer die Aufgabe, ein Bild zu
            einem bestimmten Thema zu malen. Ich wählte das Thema „Riesennase“ und zeichnete drauf los.
            Aber je mehr ich malte, desto schlimmer wurde das Gemälde. Immer wenn ich es verbessern wollte,
            wurde es nur noch schlechter. Der Kunstlehrer machte sich zwar nicht wie der Turnlehrer über mich
            lustig, aber er ignorierte mich weitgehend und zeigte mir seine ganze Verachtung, indem er mir im
            Zeugnis eine Fünf gab. Es ärgerte mich natürlich, dass ich zwei Fünfen im Zeugnis hatte, denn auch
            in Turnen stand ich auf Fünf. Da ich ansonsten nur Einsen und Zweien hatte, glich ich die Fünfen
            aber zum Glück aus und meine Versetzung war nicht gefährdet. So richtig gut war mein
            Notendurchschnitt aber nie.


            Meine Lieblingsfächer waren Mathematik und Latein. Mit Mama habe ich stundenlang freiwillig
            Algebra-Aufgaben vor Klassenarbeiten geübt und war tief enttäuscht, wenn ich durch
            Flüchtigkeitsfehler eine Eins verpasste.


            Im Sommer sind wir am Wochenende immer an den Gelterswoog gefahren. Das ist ein schönes
            großes Gewässer bei Kaiserslautern, malerisch im Wald gelegen. Dort haben wir uns oft mit Oma
            und Opa getroffen. Die Reipoltskirchener waren mit Hans und Wölfchen auch öfter dabei. Mama
            versuchte uns das Schwimmen beizubringen, aber das klappte nur bei Franz. Ich hatte panische
            Angst vor Gewässer, in dem ich nicht stehen konnte und war gegen jegliche Versuche
            Umstimmungsversuche resistent. Papas weitere große Leidenschaft neben  den Waffen war Botanik.
            Er konnte Wasser und Schwimmen nichts abgewinnen und ging in den Wald, um, wie er sagte, zu
            botanisieren. Wir waren den ganzen Tag im Wasser und abends so müde, dass wir schon auf der
            Heimfahrt einschliefen.


            Im Sommer sind wir nach der Schule in Landstuhl ins Freibad gegangen. Franz konnte ja durch den
            Schwimmunterricht meiner Mutter im Gelterswoog gut schwimmen, aber ich war nur zum
            Zuschauen verdammt. Da fast alle anderen Jungs in meinem Alter schwimmen konnten, wurde das
            auf Dauer peinlich für mich. Ich erging mich in allerlei Ausflüchten, um mich nicht dem Spott der
            anderen auszusetzen. Es musste etwas passieren! Ich beschloss mein eigener Schwimmlehrer zu
            werden. Ich ließ mich am Rand des Schwimmerbeckens einen Meter von einer Ecke ganz vorsichtig
            ins Wasser und atmete erst einmal tief durch. Ich hielt mich am Rand fest, so dass nichts passieren
            konnte. Dann hab ich mich abgestoßen und bin zwei Meter mit Schwimmbewegungen über Eck
            geschwommen. Das hab ich mehrmals gemacht, bis ich etwas sicherer wurde. Dann bin ich etwas
            zurück gegangen und hab die Strecke auf 3 Meter erweitert. Nach einer Woche konnte ich schon 5
            Meter zurück legen und nach zwei Wochen das ganze Becken durchschwimmen.


            Ich hatte als Fremdsprachen außer Englisch und Latein noch Französisch belegt und mich für ein
            zweiwöchiges Austauschprogramm mit französischen Schülern eingetragen. Im Sommer war es
            dann soweit. Wir Austauschschüler fuhren mit einem Bus nach Paris. Ich war gut drauf und freute
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