Page 15 - Michaels_Buch Februar_neu
P. 15
Frau Krüger hatte einen Sohn, dessen Namen wir nie erfahren haben. Sie nannte ihn nur Bubi und
wir riefen ihn auch nicht anders. Bubi hatte ein einfaches Gemüt und war irgendwie kein Junge, der
uns groß interessiert hätte, wenn da nicht eine Sache gewesen wäre, die ihn höchst interessant für
uns machte. Bubi Krüger las Micky Maus und Fix und Foxi Hefte. Die lagen im Klavierzimmer
herum und während mein Bruder sich durch den Unterricht quälte, las ich die Hefte und bei meinem
Unterricht verschlang mein Bruder Goofy, Donald Duck und Tick, Trick und Track, denn als
Lehrerkinder war es aus pädagogischen Gründen für uns absolut verboten, solche Schundliteratur
zu konsumieren.
Im Sommer 1964 hatte ich nach langen Diskussionen meine Eltern endlich soweit, dass ich einen
Hund haben durfte. Bedingung war, dass ich mich komplett allein um ihn kümmerte und ihn in
einem Verein ausbilden würde. Ich hatte mir einen Schäferhund gewünscht, denn es gab in unserem
Ort einen Verein für Deutsche Schäferhunde. Zuerst kamen Handwerker und bauten einen Zwinger
an die obere linke Hälfte unseres Grundstücks, die direkt in Felder überging. Es wurde ein
Fundament aus Beton gegossen, die Eisenstangen für den Zaun eingelassen und ein Teil wurde
überdacht. Dann befestigten die Handwerker einen Zaun und legten eine Holzkonstruktion auf den
Betonboden. Eine Tür kam rein und fertig war der Zwinger. Mein Vater hatte von einem Mann
gehört, der in einem Nachbarort Schäferhund-Welpen zu verkaufen hatte. Dort fuhren wir hin und
ich sah zum ersten mal meinen neuen Gefährten. Er war ein schwarzer kuscheliger Kerl, in den ich
mich sofort verliebte. Wir nahmen ihn mit nach Hause und meine Geschwister warteten schon
gespannt auf uns. Pascha, so hatte ich ihn getauft, wurde überschwänglich begrüßt und als neues
Familienmitglied aufgenommen.
In den ersten Monaten war an Ausbildung nicht zu denken, denn im Verein hatte man mir gesagt,
dass ich erst starten könne, wenn er neun Monate alt wäre. Ich brachte ihm zwar bei, dass er wenn
ich sagte: „Geh in Dein Haus“ er sich umgehend in seinen Zwinger begab, aber außer Sitz und Platz
konnte er keinen weiteren Befehl ausführen. Als er etwa 6 Monate alt war lag er eines Morgens
ganz apathisch in seinem Zwinger. Er wolle nichts fressen und trank auch nicht. Mit Mama fuhren
wir zum Tierarzt, der uns eröffnete, dass er eine Vergiftung hätte und das wohl nicht überleben
würde. Ich war am Boden zerstört, aber Mama wurde plötzlich zur Kämpferin. Sie fragte den Arzt,
wie groß die Chancen seinen, ihn vielleicht doch noch zu retten, und der sagte uns, die lägen bei
5%. Er meinte, wir sollten ihm alle drei Stunden eine bestimmte Medizin geben, machte uns aber
nicht viel Hoffnung.
Pascha wurde in unseren Partykeller gelegt und Mama und ich wechselten uns ab, ihm alle drei
Stunden mühsam Medizin, etwas zu trinken und zu essen einzuflößen. Nach zwei Wochen war er
über den Berg und konnte in seinen Zwinger zurück kehren.
Als er neun Monate alt war konnte ich im Schäferhundeverein mit seiner Ausbildung beginnen. Es
ging mit der Unterordnung los. Dabei muss der Hund an der linken Seite bei Fuß gehen und sich
setzen, wenn der Hundeführer stehen bleibt. Er muss Sitz und Platz machen und bei Hier zu seinem
Herrchen zurückkommen. Er lernt bei Fuß durch eine Menschengruppe zu gehen, ohne sie
anzuschnüffeln. Er muss einen Gegenstand apportieren, ihn zum Hundeführer bringen und über ein
ein Meter hoher Hindernis springen. Im Anschluss an diese Übungen muss er eine Viertel Stunde
auf dem Hundeplatz ruhig liegen bleiben, während ein anderer Hund die gleichen Übungen macht.
Das hört sich jetzt nicht besonders schwer an, aber bis das richtig sitzt, muss man ständig üben. Ich
hab das jeden Tag mindestens eine Stunde gemacht.
Das große Ziel war die erste Prüfung zu bestehen. Das ist das Ausbildungszeichen SchH I und
besteht nicht nur aus der Unterordnung sondern auch aus Schutzdienst und Nasenarbeit.