Page 17 - Michaels_Buch Februar_neu
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den Schutzdienst. Er griff den Figuranten beim Befehl „Fass“ an, ließ aber sofort los, wenn ich
„Aus“ sagte. Auch in der Unterordnung wurde er immer besser, er kapierte schnell, und es war
schon fast unheimlich, wenn er ohne Befehl von mir merkte, was ich wollte. Das hat auch dazu
geführt, dass es zu einem bösen Zwischenfall gekommen ist.
Meine Eltern hatten uns Kindern schon früh beigebracht, dass man keine Tiere quälen darf. Ich war
mit ein paar Freunden unterwegs und wir saßen an einem kleinen Bach. Auf der anderen Seite
kamen zwei Jungs aus meiner Parallelklasse, die sich uns gegenübersetzten. Wir unterhielten uns
über Jungenkram und plötzlich fing der eine Junge einen Frosch. Er hielt ihn in die Höhe und riss
ihm zu meinem Entsetzen ein Bein aus. Dabei lachte er und sagte, das sei nur der Anfang. Heiko
musste wohl gemerkt haben, dass das für mich nicht in Ordnung war. Er sprang über den Bach und
biss dem Jungen in den Arm. Der schrie wie am Spieß, aber auf meinen Befehl „Aus“ ließ Heiko los
und legte sich knurrend vor den Jungen, bis ich ihn zu mir zurückrief. Später habe ich die Narbe
gesehen, es war ein rechter Winkel, das Markenzeichen von Heiko, das mir noch manches Mal zu
Gesicht gekommen ist.
Mein Bruder und ich kamen nun in das Alter, in dem wir uns für Mädchen zu interessieren
begannen. Mir hatte es besonders Franziska angetan, die ein paar Häuser hinter uns gegenüber der
Todesbahn wohnte. Wenn wir abends im Bett lagen, dachten wir uns Geschichten aus, in der ich
Franziska aus irgendeiner Gefahr rettete, auf dass sie sich dann unsterblich in mich verliebte. Mal
wurde sie von Gangstern in einer Höhle gefangen gehalten, aus der ich sie befreite, mal brach sie
beim Schlittschuhlaufen ins Eis ein und ich zog sie todesmutig wieder raus. Wir hatten da ein
reiches Repertoire an Rettungsmöglichkeiten. Immer wenn ich Franziska traf, konnte ich sie vor
Verlegenheit nicht ansprechen und ich glaube, sie hat mich auch nie bemerkt.
Das hat sich dann aber schlagartig geändert, leider nicht so wie ich das gewünscht hätte. Als Heiko
noch nicht da war und Pascha allein in seinem Zwinger herumhing, kam die Katze von Franziska
immer mal wieder vorbei. Genau wie Minnie von Großmutter hatte sie einen Heidenspaß daran, den
Hund durch aufreizendes Hin und Her Stolzieren in Rage zu bringen. Das sorgte dafür, dass Pascha
nichts mehr hasste als Katzen. Als ich wieder einmal mit Pascha übte und „Platz“ sagte, legte er
sich gehorsam hin, während ich, wie es die Prüfungsordnung vorsah, weiter ging, stehen blieb und
mich umdrehte, um „Hier“ zu rufen. Was ich dann sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
Auf dem Feld hinter unserem Grundstück stand Franziska und spielte mit ihrer Katze. Pascha hatte
ein enormes Tempo drauf und reagierte auf kein Rufen von mir. Die Katze merkte sehr schnell, dass
es nun um Leben und Tod ging und versuchte zu flüchten. Auf offenem Feld hatte sie allerdings
keine Chance und es dauert nicht einmal eine Minute, dann hatte Pascha sie erledigt. Ich war wie zu
Stein erstarrt, Franziska rannte auf mich zu und schrie: „Ich hasse Deinen Scheiß-Hund und Dich
noch mehr!“ Dann ging sie zu ihrer Katze und brachte sie nach Hause. Ab diesem Zeitpunkt haben
wir Franziska abends nicht mehr gerettet.
Und dann kam ein weiteres spannendes Ereignis auf Ramstein zu, unsere Gemeinde wurde 750
Jahre alt. Das wurde gebührend gefeiert und mit einem großen Umzug eingeleitet, bei dem jeder
Verein mitmachen durfte. Natürlich waren wir mit dem Schäferhundeverein auch dabei und ich war
als eine Art Ritter verkleidet und hatte einen wunderschönen Rüden an meiner Seite. Sein Besitzer
konnte im Umzug nicht mitlaufen, da er sich einen Tag zuvor das Bein gebrochen hatte. Es war
sensationell und mein Bruder und ich haben uns gefreut wie die Könige.
1966 Die schöne Geigerin
1966 entdeckte ich, dass man mit dem Klavier nicht nur klassische Werke spielen, sondern auch
selbst kreativ werden kann. Das erste Stück, das ich ohne Noten und nur nach Gehör nachspielte
war „In the Mood“ von Benny Goodman. Daraufhin habe ich auch angefangen, selbst die ersten
kleinen Improvisationen zu spielen.