Page 22 - Michaels_Buch Februar_neu
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Ich war ein schüchternes Kind und auch als Jugendlicher war ich nicht so der Draufgänger. In der
            Schule verhielt ich mich immer recht zurückhaltend und wollte nicht auffallen. Deshalb ist mir das
            folgende Ereignis besonders im Gedächtnis geblieben. Wir sprachen über Wilhelm Tell und es ging
            um ein Fest, das die Bauern aus der Schweizer Region feierten. Unser Lehrer fragte uns: „Was darf
            auf keinem Fest dieser Zeit fehlen?“ Da brach es aus mir heraus und ich rief: „Eine Schlägerei!“
            Die ganze Klasse brach in Gelächter aus und ich hatte zum ersten Mal die Lacher auf meiner Seite.

            In den Ferien 1968 und 69 ging ich jeweils für drei Wochen arbeiten, um neues Equipment
            finanzieren zu können. Zuerst war ich in einer Gärtnerei beschäftigt. Wir waren fünf Schüler und
            ein Vorarbeiter, und mussten in verschiedenen Anlagen Unkraut entfernen. Da unser Aufseher ein
            geschwätziger älterer Herr war, dem es gefiel, uns Geschichten aus seiner Jugendzeit zu erzählen,
            machten wir viele Pausen und hatten einen recht gemütlichen Job.


            Das änderte sich allerdings im nächsten Jahr. Ich hatte mich zu spät bei der Gärtnerei gemeldet und
            alle Jobs waren durch andere Jugendliche bereits besetzt. Es gab nur noch einen freien Platz bei
            einer Baufirma. Dort war der Vorarbeiter von einem anderen Kaliber. Wir waren zwei Schüler und
            wurden richtig ran genommen. Wir rührten Mörtel an, schleppten Steine und mussten ständig auf
            einem Gerüst hin und her laufen. Es war ein richtiger Knochenjob und ich war froh, als die drei
            Wochen endlich vorbei waren.


            Wenn das Wetter schön war, fuhren mein Bruder und ich mit den Fahrrädern von Ramstein nach
            Landstuhl zur Schule. Dabei kamen wir direkt an der Airbase vorbei. Morgens hatten wir es immer
            eilig, aber auf dem Nachhauseweg blieben wir am Zaun direkt in der Einflugschneise stehen und
            schauten den landenden Flugzeugen zu. Franz lehnte sein Fahrrad an den Zaun und kletterte auf die
            Stange, um einen besseren Überblick zu haben. Wir beobachteten den Luftraum, um zu sehen, wann
            das nächste Flugzeug zum Landen ansetzte. Die Maschinen kamen ziemlich flach herein, um dann
            möglichst vorne auf der Landebahn aufzusetzen.

            Uns fiel eine F 102 Delta Dagger auf, die sich sonderbar verhielt. Sie war noch ziemlich hoch, hatte
            aber einen steilen Winkel eingeschlagen und stürzte fast senkrecht nach unten. Sie kam immer
            näher und krachte dann mit einem ohrenbetäubenden Lärm etwa 500 Meter von uns entfernt in ein
            Waldstück. Es gab einen riesigen Feuerball und Franz fiel vor Schreck von seinem Fahrrad. Wir
            hatten enormes Glück, dass der Wind in die richtige Richtung wehte, denn die Teile flogen fast
            einen Kilometer durch die Gegend.

            Franz schrie und weinte und wir fuhren schnell nach Hause. Dort angekommen konnte er sich
            immer noch nicht beruhigen, worauf mein Vater auf der Airbase einen Freund anrief. Der sagte ihm,
            dass beide Piloten gemerkt hätten, dass die F 102 nicht mehr zu landen war. Sie sind mit dem
            Schleudersitz ausgestiegen und haben vorher das Flugzeug gezielt in dem Waldstück abstürzen
            lassen. Da mein Bruder nicht glaubte, dass den Piloten nichts passiert war, lud uns der befreundete
            Offizier ein, die beiden kennen zu lernen. Wir fuhren sofort zur Airbase und wurden von den beiden
            Piloten mit Eis und Süßigkeiten empfangen und konnten uns davon überzeugen, dass ihnen nichts
            passiert war.
            Im Herbst 1969 begann ich mit meinem Autoführerschein. Ich bekam erst Theorieunterricht und
            dann ging es an die Praxis. Wir fuhren in Ramstein herum und später ging es nach Kaiserslautern.
            Ein Freund meines Vaters hatte sich gerade ein neues Auto gekauft und bot uns seinen alten
            schwarzen VW Käfer zum Kauf an. Kurz entschlossen kaufte mein Vater das Auto und es stand nun
            neben unserer Garage. Als ich die ersten Fahr-Stunden im Auto absolviert hatte, ließ mich mein
            Vater unseren Opel Rekord auf dem Grundstück mittags in die Garage und morgens zur
            Grundstücksgrenze fahren. Ich war richtig stolz und freute mich jeden Tag darauf. Als ich dann in
            der Fahrschule das Fahrschulauto schon gut fahren konnte, kam ich auf eine verwegene Idee.
            Nachdem meine Eltern ins Bett gegangen waren, schlich ich mich nach unten, schnappte mir den
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