Page 26 - Michaels_Buch Februar_neu
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Durch meine ständiges Üben wurden meine schulischen Leistungen immer schlechter und so
verließ ich das Gymnasium mit der Fachhochschulreife nach der zwölften Klasse, um Profimusiker
zu werden. In der ersten Zeit habe ich Doris von Ramstein abgeholt und meinen Bruder überall hin
kutschiert. Das wurde mir aber zu viel und wir beschlossen, dass Doris und Franz den
Mopedführerschein machen sollten. Wir kauften eine Kreidler Florett und eine Herkules K50. Das
waren 50 cm³ Kleinkrafträder, die bis zu 90 Stundenkilometer schnell waren.
Zu der Zeit war Easy Rider groß angesagt und die beiden Mopeds brauchten einen hohen Lenker,
damit man richtig cool darauf sitzen konnte. Ich habe den Lenker für Doris angebaut und eine erste
Runde damit gedreht. Ich weiß jetzt nicht mehr, was ich dabei falsch gemacht hatte, aber in der
ersten Kurve funktionierte er nicht mehr und ich fuhr geradeaus auf eine Schlammkuhle zu, die
mich und das Moped zwar total verdreckte, aber Gottseidank meinen Sturz milderte, so dass außer
ein paar Kratzern nichts passierte.
Wir spielten mal wieder in Zweibrücken im EM-Club. Bis auf meinen Bruder waren alle schon da
und haben aufgebaut. Franz hatte noch einen wichtigen Termin und wollte mit seiner Herkules K50
nachkommen. Wir wurden immer nervöser, denn er sollte schon lange da sein, als der Clubmanager
auf mich zu kam. Er führte mich zu einem Telefon. Am Apparat war das Krankenhaus in Landstuhl.
Man teilte mir mit, dass mein Bruder in einer Kurve die Kontrolle über sein Moped verloren hätte
und einen kleinen Abhang hinunter gestürzt sei. Dabei hätte er sich den Arm gebrochen und eine
Rippe angeknackst. Wir musste einen kompletten Auftritt ohne Gitarristen machen, aber waren
heilfroh, dass nichts Schlimmeres passiert war.
Meistens fuhren wir von den Auftritten gegen 3 Uhr morgens nach Hause. Da ich der einzige war,
der einen Führerschein hatte, saß ich am Steuer, die anderen schliefen oder dösten so vor sich hin.
Wir hatten wieder mal im EM Club in Baumholder gespielt, als es auf der Rückfahrt plötzlich einen
fürchterlichen Knall gab, irgendetwas war voll in mich rein gerauscht. Ich hielt an und alle stiegen
aus. Da sah ich die Bescherung, ich hatte ein Reh erwischt. Es bewegte sich nicht mehr und wir
konnten auch keinen Atem feststellen. Arthur unser Schlagzeuger war in einer Sinti-Familie
aufgewachsen und mit allen Wassern gewaschen. Er zog das Reh hinter einen Busch und wir fuhren
nach Hause. Als wir das Equipment ausgeladen hatten, fuhren wieder zurück an den Ort des
Geschehens. Arthur nahm das Tier waidgerecht aus und zerteilte es dann fachmännisch. Jeder von
uns bekam einen Anteil und wir hatten wochenlang leckeren Rehbraten auf dem Tisch.
Im Spätherbst hatten wir endlich mal ein Wochenende frei und ich beschloss, eine große Reise zu
machen. Mein Bruder, Theodor und Thorsten waren Feuer und Flamme und es ging bereits
Mittwoch los. Wir fuhren mit meinem 12M erst einmal nach Ludwigshafen und dort den Rhein
entlang Richtung Norden. In Koblenz machten wir eine kleine Rast und gingen in den Rhein baden.
Thorsten und ich sind sogar von einem Ufer zum anderen und wieder zurück geschwommen. Dabei
hatten wir aber nicht die Strömung bedacht und einen Rückmarsch von vier Kilometern einlegen
müssen. Das war eine richtige Quälerei, denn wir trugen nur Badehosen und waren barfuß.
Wir übernachteten im Zelt, das wir auf einer Weide aufgebaut hatten. Da es damals weder Navi
noch Smartphone gab, mussten wir unseren Weg durch geschicktes Navigieren mit der Karte
suchen oder Passanten nach dem Weg fragen. Wir hatten uns mal wieder so richtig verfranst und
fragten einen uns entgegenkommenden Mann nach dem Weg. Er war ein sonderbarer Kauz, kratzte
sich am Kopf, überlegte kurz und sagte dann den legendären Satz „Da muss ich erst mal den
Knipperdolling fragen“. Schon beim Kopfkratzen konnten wir das Lachen kaum unterdrücken, bei
Knipperdolling war es dann mit unserer Beherrschung vorbei. Eine Lachsalve aus vier Kehlen, ich
drückte aufs Gas und es dauerte Minuten bis wir uns wieder beruhigt hatten. Von nun an war es ein
Running Gag bei uns auf Fragen mit „Da muss ich erst mal den Knipperdolling fragen“ zu