Page 25 - Michaels_Buch Februar_neu
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kaputt und es rentierte sich nicht mehr, ihn zu reparieren. Ich brauchte ein neues Auto und konnte
            günstig einen Ford 12M kaufen. Ich baute die hinteren Sitze aus und konnte so alles Mögliche
            damit transportieren. Da ich in meiner Klasse einer der wenigen war, der ein Auto hatte, war ich
            immer mal wieder für Transporte meiner Mitschüler unterwegs und konnte mir damit meinen
            kompletten Spritverbrauch finanzieren. Als ich das erste Mal tankte, kostete ein Liter 49 Pfennige.
            Davon kann man heute nur träumen.

            1971 ging dann auch die neue Band „Hush“ auseinander, weil Lothar studierte und sein Bruder eine
            Freundin und keine Lust mehr auf Bassspielen hatte. Ich übte zu der Zeit sehr viel auf dem
            Keyboard und da Doris, Franz und ich keinen geeigneten Keyboarder fanden, beschlossen wir, dass
            ich ab sofort Keyboards spielen sollte und wir einen Drummer und einen Bassisten suchen wollten.
            Wir wurden auch schnell fündig. Mit Arthur gelang es uns, einen richtig guten Drummer zu
            engagieren und mit Willy einen Bassisten, der zwar nicht so virtuos auf dem Bass war, aber gut
            singen konnte. Die Band „Music Corporation“ war gegründet.

            Unser Kumpel Theodor hatte direkt zwei Häuser weiter einen Anbau, der nur halb fertig war. In der
            anderen Hälfte hatten wir unser Equipment aufgebaut und übten zweimal die Woche. Ich war jeden
            Tag da, hatte einen Kassettenrekorder und übte stundenlang Keyboardsolos. Ich hatte mir John Lord
            von Deep Purple und Gregg Rolie von Santana vorgenommen und konnte bald alle Soli der beiden
            exakt nachspielen. Die einzelnen Töne nur mit einem Kassettenrekorder raus zuhören, besonders
            wenn die Soli auch noch extrem schnell waren, erwies sich als äußerst schwierig und ich musste
            manche Passagen hunderte von Malen zurückspulen und wieder hören, bis ich die richtige Version
            drauf hatte.
            Da ich schon vorher auf unserem Klavier viel improvisiert hatte, wurden nun meine Solos immer
            interessanter, weil ich die Einflüsse von anderen Keyboardern mit einfließen lassen konnte. Dann
            hatte ich wieder mal eine Idee. Ich spielte Soli von Gitarristen auf dem Keyboard nach. Ich startete
            mit Alvin Lee von Ten Years After. Ich spielte das Solo von „I'm going home by helicopter“ von der
            Woodstock-Platte nach. Das war eine richtige Quälerei und es dauerte Wochen, bis ich das drauf
            hatte. Aber mit diesen Einflüssen war mein Solospiel nun sehr variabel und recht ausgefeilt.


            Zu der Zeit begannen wir in amerikanischen Clubs zu spielen. Wir hatten einen Agenten, der uns am
            Wochenende in die NCO und EM-Clubs in alle möglichen amerikanischen Kasernen schickte. Wir
            tingelten zwischen Frankfurt, Karlsruhe, Stuttgart und Kaiserslautern, teilweise auch in der Woche.
            Die US-Army verwöhnte ihre GIs, wo es nur ging und dazu gehörte auch Livemusik. Es gab viele
            deutsche Bands, aber auch aus England kamen Gruppen, die richtig gut waren. Alle paar Monate
            fanden Auditions statt, in denen die Bands jeweils vier Stücke vor einer Jury spielen mussten. Man
            wurde dann sowohl preislich, als auch was den Einsatzort angeht, bewertet.

            Besonders die englischen Bands hatten es uns angetan. Wenn wir nicht spielen mussten, gingen wir
            auf die Airbase in Ramstein und schauten uns im Club RAMA fantastische englische Bands an. Die
            Big Jump Band, Twigg und die Vision Show spielten jeden Abend und lieferten neben einer
            hervorragenden musikalischen Darbietung auch noch mitreißende Shows ab. Für uns waren das die
            besten Musiker, die wir je live gesehen hatten und wir hätten uns nie träumen lassen, einmal mit so
            jemandem zusammen spielen zu dürfen. Bevor wir dann nach Hause fuhren, gingen wir in die
            angrenzende Snackbar und verdrückten zwei Hamburg mit French Fries. Die spülten wir mit einem
            Cherry Milkshake herunter.

            Heute wäre so etwas undenkbar, denn seit 9/11 ist das Gelände der amerikanischen Kasernen
            hermetisch abgeriegelt. Das war zwar damals auch schon so, und wir mussten für unsere Auftritte
            eine Genehmigung haben, aber in Ramstein wussten wir in der Housing Area, wo der Zaun Lücken
            hatte und nicht kontrolliert wurde. Dort gingen die deutschen Jugendlichen hinein und die
            amerikanischen kamen raus.
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