Page 13 - Michaels_Buch Februar_neu
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mich auf die neue Erfahrung. Die Familie meines dortigen Partners Pierre hat mich toll
            aufgenommen und der erste Tag verging mit allen neuen Eindrücken wie im Flug. Als ich dann
            endlich ins Bett kam, hat sich meine Stimmung komplett verändert. Ich hatte schreckliches
            Heimweh, und das hat sich auch in den nächsten zwei Wochen nicht geändert. Endlich war die Zeit
            um, und ich war froh wieder zu Hause zu sein.


            Ein weiterer Höhepunkt war die alljährliche Flugshow auf der Airbase Ramstein. Die Amerikaner
            veranstalteten einen Tag der offenen Tür, zu dem Tausende Besucher aus der näheren und weiteren
            Umgebung kamen. Wir bekamen große Schachteln mit amerikanischem Eis und der Höhepunkt war
            dann die Vorführung der Staffel „Blue Angels“, auf die ich mich am meisten freute. Leider ist dann
            später dieses schreckliche Unglück mit der italienischen Staffel passiert, bei der ich nicht dabei war,
            die aber dafür gesorgt hat, dass es keinen Tag der Offenen Tür mehr gibt.


            Ganz schlimme Erinnerung habe ich an meine Zahnarztbesuche. Obwohl mein Bruder und ich die
            gleiche Zahnpflege machten, waren sein Zähne makellos, meine dagegen immer voller Löcher.
            Deshalb musste ich einmal im Monat zum Zahnarzt. Vor jedem Zahnarztbesuch litt ich
            Höllenqualen. Immer wenn ich meine Jacke im Wartezimmer aufgehängt hatte, sagte ich im Geiste
            zu ihr, „wenn wir uns wieder sehen, hab ich es geschafft“.


            Im Winter hatten wir auch viel Spaß. Gegenüber unseres Hauses gab es einen kleinen Hügel, von
            dem man wunderbar mit dem Schlitten runter fahren konnte. Man kam zwar nicht auf große
            Geschwindigkeiten, aber es war ein tolles Gefühl und da ich ja eher zu den ängstlichen und
            vorsichtigen Menschen gehöre, reichte mir der Hügel vollkommen. Etwa 500 Meter weiter rechts
            die Straße rauf war aber ein kleiner Berg. Die Abfahrt hieß bei uns Kindern die Todesbahn. Dort
            wollte mein Bruder immer hin und ich folgte ihm widerstrebend. Er fuhr mit einem Höllentempo
            zwischen Bäumen und einem links gelegenen Abgrund runter, dass mir schon vom Zuschauen
            schlecht wurde. Er fuhr nur Bauchplatscher, auf dem Bauch liegend mit dem Kopf nach vorne.
            Damit bekam man richtig Tempo drauf. Ich saß mit dem Hintern auf meinem Schlitten und bremste
            mit beiden Füssen, damit ich nicht zu schnell wurde.
            Es waren dort eine ganze Menge anderer Kinder und wir hängten uns manchmal hintereinander und
            fuhren als Schlange herunter. Die großen Jungs waren vorne und haben die Schlange gelenkt und
            dahinter kamen die kleineren Kinder. Der Schwanz der Schlange hat dann hin und her geschlagen,
            dass es ab und zu einen der Hinteren an die Bäume gehauen hat. Der größte Junge hieß mit
            Nachnamen Fenk und wir haben ihn „Fenker den Lenker“ genannt. Jedes Jahr gab es auf dieser
            Bahn Unfälle mit teilweise richtig heftigen Verletzungen. Deshalb durften wir eigentlich dort nicht
            fahren. Aber wir hatten immer Glück, uns ist nie etwas passiert.


            Als ich zwölf Jahre alt war, hatte ich die Idee die Weihnachtsfeier selbst zu gestalten. Meine Eltern
            waren einverstanden und ich übte mit meinen Geschwistern eine wie man heute sagen würde Show
            ein. Wir sangen, spielten kleine Geschichten und musizierten mit allen uns zur Verfügung stehenden
            Instrumenten. Üben konnten wir nur, wenn Mama und Papa nicht zu Hause waren, umso größer war
            dann die Überraschung Heiligabend. Das wurde zur Tradition und jedes Weihnachten ließ ich mir
            neue Sachen für unsere Vorführung einfallen.


            Dieses Jahr zu Weihnachten bekam ich ein Geschenk, das es in sich hatte. Papa war ein
            leidenschaftlicher Hobbyfotograf und fotografierte nur Dias. Wir hatten einen Projektor und
            machten immer wieder Diaabende mit der ganzen Familie. Papa fotografierte natürlich in erster
            Linie irgendwelche Pflanzen bei seinen Botanisierungstrips. Aber auch die Familie kam nicht zu
            kurz. Die Blumenbilder haben uns weniger interessiert, bis auf die fleischfressenden Pflanzen, wenn
            sie sich wieder mal ein Insekt geschnappt hatten. Unsere Familienfotos dagegen machten uns sehr
            viel Spaß und sorgten für so manchen Heiterkeitsausbruch.
            Unter dem Weihnachtsbaum lag ein richtig großes Paket, auf dem mein Name stand. Ganz
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