Page 33 - Michaels_Buch Februar_neu
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nicht so einfach. Ich sprach zwar sehr gut englisch, aber der Londoner Cockney Slang war weit von
            meiner texanisch geprägten Aussprache entfernt, so dass es etwas dauerte, bis ich mich daran
            gewöhnt hatte. Sids Schwester war mit dem Moderator von Top of the Pops liiert und er war ständig
            bei Sids Eltern zu Besuch.


            Als er wieder eine Sendung hatte, nahm er mich mit ins Studio. Er stellte mich einer Sängerin vor,
            die bald eine glänzende Karriere machen sollte, Olivia Newton-John. Da sie erst am Ende der Show
            dran war, gingen Olivia und ich in die Kantine und haben zwei Stunden über Gott und die Welt
            gequatscht. Auch hier ist etwas Sonderbares passiert, was bei mit immer wieder vorgekommen ist,
            sie hat mir im Vertrauen ein paar Dinge erzählt, die sie keinem vorher anvertraut hatte. Nach ihrem
            Auftritt gingen wir noch zusammen zur Aftershow Party. Danach habe ich sie erst im Fernsehen
            wieder gesehen.


            Sid und ich durchforsteten die Musikgeschäfte und ich kaufte kräftig ein. Dann zeigte er mir die
            angesagtesten Klamottenläden in der Carnaby Street. Ich war überwältigt und kam in einen
            richtigen Kaufrausch. Ich deckte mich mit T-Shirts und Hosen für die nächsten hundert Jahre ein.
            Später, als ich wieder zu Hause war, stellte ich fest, dass ich viel zu viel gekauft hatte und verkaufte
            das meiste an Freunde weiter.


            1973 Ein linker bester Freund
            Meine ehemalige Band Music Corporation, in der Doris und Franz spielten, wurde immer mehr in
            den amerikanischen Clubs gebucht, so dass ich die beiden manchmal tagelang nicht gesehen habe.
            Ich war nun auch öfter in Kusel, denn dort hatten Heinz, Dieter und Alf ein Haus gemietet, in dem
            auch unser Proberaum war. So lernte ich Gregor kennen. Gregor war von Geburt an blind, nahm
            aber so aktiv am Leben teil, dass wir öfters vergaßen, dass er dieses Handicap hatte. Er arbeitete in
            der Telefonzentrale des Landratsamtes und war überall beliebt.

            In meiner Freizeit unternahm ich viel mit Gregor, denn wir verstanden uns blendend. Ich hatte mich
            komplett auf ihn eingestellt. Wenn wir irgendwo hin gingen, nahm ich ihn am Arm und führte ihn.
            In der ersten Zeit stieß er noch ab und zu irgendwo an, aber nach kurzer Zeit passierte das nicht
            mehr. Wir feierten viel, tranken Bier und Schnaps und Gregor kreierte den Spruch „Ein blindes
            Huhn findet immer einen Korn“.

            Gregor hatte auch ein eigenes Auto mit dem er sich durch die Gegend chauffieren lies. Ich war sein
            liebster Fahrer, weil er, wie er behauptete, sich bei mir am sichersten fühlte. In seiner frühen Jugend
            hatte er in betrunkenem Zustand einen Kumpel gebeten, ihn auch mal fahren zu lassen. Das ging
            voll in die Hose, er rammte zwei Autos und hatte danach eine ganze Menge Ärger. Was war das nur
            für ein bescheuerter Kumpel, der einen Blinden Auto fahren lässt?


            Und dann schlug das Schicksal mal wieder gnadenlos zu. Dadurch, dass Doris und Arne, der
            Gitarrist, den ich unter meine Fittiche genommen hatte, sehr viel zusammen probten, hatte sich ein
            zartes Band zwischen den beiden gebildet. Das wurde immer stärker und schließlich beichtete mir
            Doris, dass sie sich in ihn verliebt hätte. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Was war das nur für
            ein linker Hund, der sich hinter meinem Rücken an meine Freundin ran machte, nach allem, was ich
            für ihn getan hatte? Ich war wochenlang krank vor Liebeskummer und meine Welt war aus den
            Fugen geraten.

            Franz war vom Verhalten von Doris und Arne so enttäuscht, dass er kurz nach unserer Trennung die
            Band verließ und in eine amerikanische Gruppe einstieg, die sehr viele Gigs in den Clubs hatte. Sie
            spielten Creedence Clearwater Revival Songs und waren bei den GIs sehr beliebt. Franz war der
            einzige Deutsche, sprach aber so gut amerikanisches Englisch, dass jeder ihn für einen US-Boy
            hielt.
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