Page 35 - Michaels_Buch Februar_neu
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unter ging. Ich sprintete vor die Hammond, setzte mich mit dem Rücken zur Tastatur drauf und
spielte mein Solo mit der rechten Hand hinter meinem Rücken weiter.
Mit solchen akrobatischen Einlagen erhaschten wir von unserem Publikum Beifallsstürme. Wir
hatten auch komische Sachen im Programm. Heinz und Dieter waren verkleidet und während Alf
und ich allein spielten, trugen sie einen Schwertkampf aus. Ich erinnere mich noch gut an unsere
Travestieeinlage, weil es gar nicht so leicht ist, eine Seidenstrumpfhose anzuziehen. Da die Show
nicht durch große Pausen unterbrochen werden durfte, musste das immer blitzschnell gehen.
Bei einer weiteren Einlage hatten Heinz, Dieter und Alf etwas mehr Zeit sich umzuziehen, denn ich
war allein auf der Bühne. Ich suchte mir im Publikum jemanden aus, den ich auf die Bühne bat.
Dort war ein Tisch aufgebaut, auf dem zwei Schnapsgläser mit Hochprozentigem standen. Ich sagte
zu meinem Mitspieler, dass ich der Meinung wäre, er könne nicht alles genauso machen wie ich. Ich
hob meinen rechten Arm und streckte ihn zur Decke. Er machte es nach, dann ging es mit dem
linken Arm weiter. Ich machte eine Kniebeuge und einige weitere einfache Sachen, die er alle
nachmachte. Dann hob ich ein Schnapsglas an, er tat das gleiche. Ich bewegte es zu meinem Mund,
er ebenfalls. Dann trank ich es auf ex aus. Er machte es mir nach. Da ich den Schnaps aber gar nicht
runter geschluckt hatte, sondern im Mund behielt spuckte ich ihn ins Glas zurück und sagte „Nun
mach das mal nach“. Das Publikum bog sich vor Lachen, ob seines dummen Gesichts.
Zu der Zeit verliebte sich Heinz in meine Schwester Bärbel. In der ersten Zeit hielten sie das noch
vor mir geheim, weil ich als älterer Bruder auf sie aufpasste. Ich kann mich noch genau erinnern, als
Heinz in der Pause eines Auftritts auf mich zukam und herumdruckste. „Was ist denn los, ich merk
doch, dass etwas nicht in Ordnung ist“, fragte ich ihn direkt heraus. Jetzt beichtete er mir, dass
Bärbel und er schon seit drei Wochen ein Paar wären. In der ersten Zeit war ich noch sauer, aber da
es richtig ernst bei den beiden war, fügte ich mich schließlich.
Es war Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Wir spielten ständig in einem anderen US-Club
und in unseren Pausen hingen meine drei Mitspieler nur vor dem Fernseher und schauten sich die
Spiele an. Ich dagegen saß allein in der Garderobe und las ein Buch.
Es waren nun schon fast vier Jahre vergangen seit Mama uns verlassen hatte und ich hatte mich mit
meinem Vater und Astrid ausgesprochen. Im Mai riefen sie alle vier Kinder zusammen und teilten
uns mit, dass sie heiraten wollten. Wir gratulierten und Astrid bat mich, bei der Zeremonie in der
Kirche die Orgel zu spielen. Ich übte mehrere Stücke ein und es war ein tolles Erlebnis mit so
einem Instrument in einer Kirche zu spielen.
Wir hatten ein zweites Engagement im PM-Club in München. Wir waren wieder im Hochhaus
untergebracht und spielten sechs Tage die Woche. Am freien Tag fuhren wir ins Kloster Andechs,
denn dort sollte es das beste Bier geben. Sie hatten eine Klostergaststätte, in der Mönche Bier
ausschenkten. Dort haben wir richtig heftig gefeiert und viel Spaß gehabt.
In München wurde dann das Ende von Penicillin eingeläutet, da ich fest nach Hannover zu Regina
ziehen wollte. Alf wollte ohne mich nicht weiter machen und ging zurück nach Bremerhaven.
1975 Kinderspiele
Regina hatte für mich bereits ein kleines Ein Zimmer Apartment gemietet. Es war in der Göttinger
Chaussee in einem vierstöckigen Wohnblock unter dem Dach. Die Toilette war eine Etage tiefer und
es gab nur ein kleines Waschbecken im Zimmer. Noch nie vorher hatte ich so spartanisch gelebt,
aber dass wir beide nun ständig zusammen sein konnten, machte das alles wieder wett.