Page 41 - Michaels_Buch Februar_neu
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beschloss ich mir die Stadt anzusehen, denn man hatte mir gesagt, dass sie sehr schön sein sollte.
            Ich war begeistert. Allein die Umgebung war sehenswert, dann waren da die kleinen Gässchen mit
            liebevoll gepflegten Wasserläufen. Ich habe bis heute keine schönere Stadt gesehen.

            Am Abend gab es beim Auftritt von Omega einen Zwischenfall. Ein Mann erklomm die Bühne und
            tanzte vor der Band herum. Die beiden Roadies schafften ihn mit sanftem Nachdruck runter, kurz
            danach war er wieder da. Auch beim zweiten Mal wurde er noch vorsichtig entfernt, doch als er ein
            drittes Mal hoch kletterte, wurde es den Roadies zu bunt und sie schleiften ihn brutal zum
            Bühnenrand und warfen ihn hinunter. Das hat dem Publikum nun so gar nicht gefallen. Omega
            mussten ihren Auftritt unter Buhrufen zu Ende spielen und es gab zum einzigen Mal auf der Tour
            keine Zugabe von der Band.


            In Zürich hatten wir eine richtige Suite statt eines einfachen Doppelzimmers. Nachmittags saßen
            Heinz und ich mit John Kirkbride zusammen und erzählten uns Geschichten aus unserem
            Musikerleben. John berichtete, dass er einmal von einem sehr berühmten Musiker beklaut wurde.
            Wir mussten ihm versprechen, dass wir nie den Namen nennen würden. Der Musiker war mit John
            auf Tour und lud ihn ein, nachmittags bei ihm ein paar Sessions mit Akustikgitarren zu spielen. Er
            bat John, ihm ein paar von seinen unveröffentlichten Songs vorzuspielen. Was John nicht wusste
            war die Tatsache, dass der Musiker unter seinem Bett einen Rekorder mitlaufen ließ und später
            einen der Songs als seinen eigenen ausgab und damit einen Hit landete.

            In Braunschweig wäre die Tournee für mich beinahe vorbei gewesen. Wir spielten in der Stadthalle
            und John Kirkbride war gerade mit seinem Gig fertig. Die Bühne war total dunkel und die Ordner
            führten mich mit Taschenlampen zum linken Rand, wo eine transportable Treppe nach oben führte.
            Ich musste über die gesamte Bühne auf die andere Seite zu meinen Keyboards gehen. Das war
            etwas umständlich, da ich kaum etwas sah. Meine Mitmusiker gingen hinten eine weitere Treppe
            nach oben. Die Ordner hatten wohl gemeint, dass meine Keyboards auf der linken Seite stehen
            würden. Sie wollten es mir nach dem Auftritt einfacher machen und stellten die Treppe auf die
            rechte Seite. Was sie nicht wussten war, dass Fritz ein etwa 10-minütiges Drumsolo spielte, zu dem
            wir anderen Musiker die Bühne verließen. Sobald das Solo begann, flitze ich auf die linke Seite und
            machte einen Schritt auf die nicht mehr vorhandene Treppe zu. Das war ein Augenblick, in dem es
            mir durch und durch ging. Ich fiel und fiel. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Die Ordner hatten
            mit Entsetzen gemerkt, was ich vorhatte und schrien. Ich konnte aber wegen des Schlagzeugs nichts
            hören. Geistesgegenwärtig stürzten sie rüber und fingen mich auf.

            Am Ende der Tour spielten wir zwei Konzerte in einem Fußballstadion in Budapest. Die Konzerte
            waren ausverkauft, denn Omega waren in Ungarn Topstars. Nach dem Konzert wurde jeder Musiker
            in einem weißen Volvo aus dem Stadion gefahren. Wir fuhren jeweils mit einem der Omega-
            Musiker mit. Ich saß mit Janos dem Sänger im Auto. Draußen empfingen uns hysterische Mädchen,
            die, als sie Janos erkannten, sich auf das Auto warfen, um ihm möglichst nah zu sein. Das war ein
            grotesker Anblick, denn es wurden immer mehr und wir hatten beide Angst, dass entweder jemand
            überfahren würde oder sie ins Auto reinkommen könnten. Zum Glück ging alles glimpflich aus.

            1978 Feigheit vor dem Feind
            Anfang 1978 lernte ich Ilona, eine Arzthelferin aus Syke kennen. Wir verbrachten jede freie Minute
            zusammen. Damals gab es noch Autokinos und wir fuhren oft nach Bruchhausen-Vilsen um uns
            interessante Filme anzuschauen.

            Im Frühjahr schlossen wir mit der Metronome einen Plattenvertrag ab. Unsere neue Langspielplatte
            sollte auf dem Brain Label erscheinen. Als Studio hatten wir das Alterbaum Studio in der Nähe von
            Oldenburg ausgesucht. Der Studiobetreiber war ein Landwirt und hatte ein modernes Audiostudio
            in einem seiner Ställe gebaut. Wenn man raus ging, wurde man von frischer Landluft empfangen,
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