Page 45 - Michaels_Buch Februar_neu
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da wir immer Auftritte absolvieren mussten. In diesem Jahr hatte der Fan alle übrig gebliebenen
Kracher und Raketen aus seinen Filialen eingesammelt und sie uns als Geschenk mitgebracht. Wir
brauchten fast zwei Stunden, um alles auszupacken. Um 24 Uhr begannen wir mit der Knallerei.
Obwohl wir viele Leute waren, schien die Kiste nicht leer zu werden. Und dann passierte es.
Irgendwer hatte versehentlich einen angezündeten Kracher in die Kiste fallen lassen. Die Hölle
brach los und wir mussten schleunigst in Deckung gehen. Uns flogen Kracher, Knallfrösche und
Raketen um die Ohren. Als das Feuerwerk dann endlich zu Ende war, sahen wir ein großes Loch
mitten in unserem Hof.
1980 Droschkenkutscher
Am Anfang des Jahres gingen wir ins Frankfurter Hot-Line-Studio, um das Album See you in
Alaska einzuspielen, das wenig später, ebenfalls auf Brain, veröffentlicht wurde.
Mittlerweile hatte Bella Donna sich eine eigene PA zugelegt. Daula bekam ein lukratives Angebot
von einer englischen Band und Gerd und mein Bruder arbeiteten als Roadies für uns. Gerd bediente
die Lichtanlage und Franz saß am Mischpult. Mir ging das despotische Verhalten von Cliff jetzt
immer mehr gegen den Strich, so dass ich im Sommer der Band mitteilte, dass ich aussteigen
werde. Mein letzter Gig fand in der Heidmarkhalle in Bad Fallingbostel statt. Es war ein Festival
und vor uns spielte eine Mädchenband mit Namen Stripes. Besonders die Sängerin fanden wir
zuckersüß. Es war Nena, die kurz danach ihre Karriere gestartet hat.
In der ersten Zeit nach meinem Ausscheiden hatte die Band eine witzige Idee. Die meisten
Keyboardparts wurden durch entsprechende Gitarreneinsätze ersetzt, aber an ein paar Stellen spielte
mein Bruder am Mischpult sitzend die Keyboards direkt ins Pult.
Ich hatte jetzt keine Band mehr und musste mir etwas einfallen lassen, wovon ich in Zukunft leben
sollte. In den letzten Monaten verstand ich mich immer besser mit Gerd Knüttel und deshalb habe
ich ihn um Rat gefragt. Er wollte sich auch mehr musikalisch betätigen und hatte seinen Job bei der
Flugsicherheit an den Nagel gehängt. Er hatte einen Taxenschein gemacht und fuhr in Nienburg für
die Firma Frost. Dort konnte er sich zum Fahren eintragen, wenn er Zeit hatte. Wenn er aber mit der
Band oder als Roadie unterwegs war, gab es keine Probleme. Ein Job, wie er mir gefiel. Ich machte
den Taxenschein und fing bei der Firma Frost an.
In den ersten Wochen nach meinem Ausstieg bei Epitaph wohnte ich noch in Graue mit Ilona
zusammen. Ich wollte weg, sie war aber nicht bereit, in eine andere Stadt zu ziehen und erst recht
nicht ihre Stelle als Arzthelferin aufgeben. Nach etlichen Diskussionen kamen wir zum Schluss,
dass es keinen Sinn mehr machte und wir trennten uns. Ich fand nun auch eine kleine Wohnung in
der Mindener Landstraße in Nienburg.
Bei der Firma Frost ist ein fester Mitarbeiter in Rente gegangen, der mit zwei anderen
Festangestellten die Nachtschicht gefahren war. Die ging von 18 Uhr abends bis 6 Uhr in der Früh.
Die Chefin fragte mich, ob ich nicht diese Schicht fest übernehmen möchte und ich sagte zu. Mir
war zwar klar, dass das nichts auf Dauer sein würde, aber vorübergehend stellte das eine gute
Lösung dar.
Mit mir fuhren Rita und Ole. Wir standen mit unseren drei Taxen am Bahnhof von Nienburg
hintereinander. Im ersten Auto saßen wir so lange zusammen, bis ein Auftrag per Funk kam oder ein
Fahrgast zustieg. Dann setzten sich die beiden übrig gebliebenen Fahrer in den Wagen dahinter.
Wenn man so zwölf Stunden von Montag bis Freitag zusammen ist, lernt man sich recht gut kennen.
Wir drei verstanden uns blendend und es war eine schöne Zeit.
Doch dann verliebte sich Ole in Rita. Die war zwar verheiratet, aber in unseren vielen Gesprächen