Page 48 - Michaels_Buch Februar_neu
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und Keyboards spielte ich selbst ein.


            Ende des Jahres hab ich Angelika auf einer Party in Hildesheim kennen gelernt. Sie kam aus
            Haselünne und arbeitete in Bad Salzdetfurth als Erzieherin. Ich wusste vom ersten Moment, als ich
            sie sah, dass sie die richtige sei. Ich unterhielt mich die ganze Zeit mit ihr und merkte, dass sie mich
            auch sympathisch fand. Sie war eine Bekannte von Anni, die mit Franz in der Wohngemeinschaft
            lebte. Ich löcherte Anni so lange, bis sie mir sagte, auf welcher weiteren Party Angelika zu finden
            sei. Ich war dann auch da und tat so, als ob das reiner Zufall wäre.


            Ich fragte sie, ob sie mir bei meinen Aufnahmen helfen könne. Wenn ich Keyboards spielte, konnte
            ich zwar mit dem Minimoog, einem Sythesizer direkt im Regieraum aufnehmen und auch Bass
            spielte ich dort ein. Bei Aufnahmen mit der Hammond und dem Fender Rhodes saß ich aber im
            Aufnahmeraum und jemand musste die Bandmaschine bedienen. Angelika kam am nächsten Tag
            und fand das so spannend, dass sie in jeder freien Minute bei mir im Studio war. Wir kamen uns
            näher und schließlich wurden wir ein Paar.


            Ich wohnte zu der Zeit noch bei Dolly, aber Angelika und ich waren oft bei Franz und Bärbel im
            kleinen Zimmer und haben da übernachtet. Franz hatte sich einen Kanarienvogel angeschafft und da
            es ihm nicht gefiel, dass der so allein war, kaufte er einen weiteren dazu. Es kam wie es kommen
            musste, plötzlich waren Eier da und als die ausgebrütet waren, gab es eine ganze Reihe kleiner
            Küken. Die kamen dann in weitere Käfige und morgens wurde man von einem vielstimmigen Chor
            aus Kanarienvogelstimmen geweckt.

            1981 Vaterfreuden

            Angelika und ich suchten eine Wohnung in Hildesheim. Wir wurden in der Schuhstraße fündig und
            ich zog bei Dolly aus. Ich fuhr jeden Morgen von Hildesheim nach Langenhagen, um dort den
            ganzen Tag Taxi zu fahren. Angelika war in der Zeit in Bad Salzdetfurth auf ihrer Arbeitsstelle. Ich
            musste immer sehr früh aufstehen, da ich um 6 Uhr meine Taxe von dem Nachtschichtfahrer
            übernahm. Von der Schuhstraße ging es durch die Fußgängerzone direkt zum Bahnhof. Um diese
            Zeit waren nicht viele Leute unterwegs, aber der Reinigungstrupp machte mit einer Kehrmaschine
            die Pflasterung sauber. Ich liebte das Geräusch und ging immer recht langsam hinter dieser
            Maschine her. Und da ist ein völliger irrer Wunsch entstanden, den ich hoffte, mir einmal erfüllen
            zu können. Es ist einer von zwei Wünschen, die ich habe. Den zweiten stelle ich später im richtigen
            Kontext vor.


            Jetzt aber zu meinem ersten Wunsch. Ich möchte in einem rollbaren Bett liegend schön
            eingemummelt hinter der Kehrmaschine hergezogen werden und das Geräusch genießen. Ich weiß
            das klingt jetzt total verrückt, aber für mich wäre das ein Höhepunkt in meinem Leben.


            Im März eröffnete Angelika mir, dass wir ein Kind erwarteten. Ich war hin und her gerissen. Auf der
            einen Seite freute ich mich, dass wir nun Eltern wurden, auf der anderen Seite hatte ich schreckliche
            Angst davor, dass unser Kind keine Zukunftschancen haben könnte, da wir uns im kalten Krieg
            befanden und jederzeit die Russen eine Atombombe zünden konnten. Das nagte so schlimm an mir,
            dass ich richtig depressiv wurde. Da ich aber von Haus aus ein optimistischer Mensch bin, legte
            sich das bald und ich freute mich auf unser Kind. Wir wussten nicht, ob es ein Mädchen oder Junge
            werden würde und waren ganz gespannt und voller Vorfreude.

            Als Taxifahrer hatte ich immer eine Geldtasche dabei, denn damals wurde ausschließlich bar
            bezahlt. Als ich eines Tages mit dem Zug von Langenhagen nach Hildesheim fuhr, musste ich
            dringend die Toilette aufsuchen. Ich war gerade fertig, da fuhr der Zug auch schon in den
            Hildesheimer Bahnhof ein. Da er dort nach dem Aussteigen der Fahrgäste sofort weiter fuhr, stürzte
            ich aus der Toilette und schaffte es gerade noch raus zu kommen. Wer nicht raus kam war meine
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