Page 53 - Michaels_Buch Februar_neu
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sehr fadenscheinig vor. Als Helena dann zum Abmischen kam, ließ sie die Katze aus dem Sack. Die
            beiden hatten sich verliebt und waren ein Paar.

            Helena war eine überaus besitzergreifende Frau und Franz tat alles, was sie ihm sagte. Bald stellte
            sich heraus, dass sie unser Studio übernehmen wollte. Ich sollte das Feld räumen. Es gab einen
            Riesenkrach, der damit endete, dass Helena das Studio verließ und Franz mitnahm. Er rief mich am
            nächsten Tag an und sagte, dass er nicht mehr kommen würde. Ich habe Franz erst zwei Jahre später
            wieder gesehen, als die Beziehung mit Helena in die Brüche gegangen war.


            Eines Tages stand Harald vor der Tür. Er war 18 Jahre alt, arbeitslos und fragte nach einem Job. Ich
            teilte ihm mit, dass wir genügend Personal hätten und niemanden mehr bräuchten. Er zog daraufhin
            wieder ab. Zwei Tage später war er wieder da. Er hatte Langweile und wollte etwas bei uns
            abhängen. Er setzte sich ganz ruhig in den Regieraum und hörte zu, wie ich eine Band aufnahm. Er
            war jetzt fast täglich da und übernahm freiwillig allerlei Hilfsarbeiten, die die Praktikanten und ich
            nicht gerne machten. Auch Rolf nahm ihn ab und zu mit auf Drehs und er war glücklich.


            Im Laufe der Zeit wurde ich so etwas wie eine Vaterfigur für Harald. Er schaute zu mir auf und
            erzählte mir viel aus seinem Leben. Am verrücktesten war sein Geständnis, dass seine
            Lieblingsbeschäftigung sei, sich mit anderen zu schlagen. Wie ich später erfahren habe, war Harald
            in Langenhagen als jemand bekannt, der keinem Kampf aus dem Weg ging. Er erklärte mir, dass er
            dabei nichts gegen seinen Gegner hätte, es ihm aber unheimlich Spaß machte zu kämpfen. Ständig
            sagte er mir, wenn ich einmal ein Problem mit jemanden hätte, würde er es gerne für mich mit den
            Fäusten klären.

            Eines Morgens, als ich ins Studio kam, bot sich mir ein lustiges Bild. Klaus-Peter stand am Fenster
            im Aufenthaltsraum und fütterte ein Pferd mit Popcorn. Blitzschnell holte ich die Kamera und
            filmte die Szene. Als meine restliche Crew kam, haben wir erzählt, was vorgefallen war, aber keiner
            hat es geglaubt. Als sie die Aufnahme sahen, staunten sie nicht schlecht.

            Dann kam die Band Unique zum ersten Mal ins Studio. Das waren ein schwarzer Sänger und
            Gitarrist, ein schwarzer Schlagzeuger sowie ein deutscher Keyboarder und ein deutscher Bassist.
            Der Sänger war Allan, der Keyboarder Slatan. Sie spielten richtig gute Funkmusic und ich nahm ihr
            erstes Album auf. Im gleichen Jahr nahm ich eine Laatzener Band mit Namen Pisa auf. Dort spielte
            Simon Gitarre. Ich erwähne diese Musiker, weil sie einen wichtigen Part in meinem weiteren Leben
            gespielt haben.

            Klaus-Peter und Olli hatten die Idee, eine Mädchenband ins Leben zu rufen. Die sollten zwar nicht
            richtig spielen, aber in einem kleinen Film eine Band mimen. Sie suchten aus den
            Schauspielerinnen, die sich von uns casten gelassen hatten vier junge Frauen aus und luden sie ins
            Studio ein. Sie erstellten ein Drehbuch und begannen mit den Aufnahmen. Klaus-Peter spielte darin
            mit, denn er konnte sein komödiantisches Talent gut einbringen. Die Rohszenen sind zwar noch
            vorhanden, aber der fertige Film ist leider verloren gegangen.

            Am 14. November wurde unsere Tochter Johanna geboren. Im Silbersee Krankenhaus habe ich zum
            ersten Mal die tollste Tochter der Welt gesehen. Allerdings wusste ich damals noch nicht, welch
            außergewöhnlicher Mensch sie ist. Im gleichen Jahr wurde auch Patrick Vogt geboren, der Bruder
            von Melanie unten rechts. Witzigerweise waren Melanie und Patrick im selben Alter wie meine
            beiden Kinder und gingen dann später auch in dieselben Klassen.

            Als Kind hatte ich mir geschworen, dass meine Kinder nie gezwungen würden, etwas zu essen, das
            ihnen nicht schmeckt. Das habe ich auch bei Christian so durchgezogen, und es später bitter bereut.
            Es hat dazu geführt, dass sein Speiseplan sehr eingeschränkt war. Er lehnte alles ab, was so aussah,
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