Page 49 - Michaels_Buch Februar_neu
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Geldtasche. Die lag auf der Zugtoilette und fuhr ohne mich nach Göttingen.
Ich war darüber sehr verärgert und nahm mir vor, in Zukunft besser aufzupassen. Das klappte auch
eine Zeitlang gut, doch dann passierte mir ein weiteres Malheur. Ich stand mit meiner Taxe auf
einem Parkplatz und da das Wetter schön war, habe ich draußen ein belegtes Brötchen gegessen.
Meine Geldtasche hatte ich aufs Dach gelegt und die Fahrertür war offen. Jetzt kam ein Funkspruch
rein, dass ich sofort einen Fahrgast abholen sollte, der dringend seinen Zug bekommen musste. Ich
flitzte ins Auto und fuhr los. Als ich den Fahrgast an sein Ziel gebracht hatte und er bezahlen wollte,
merkte ich, dass meine Geldtasche nicht da war. Mit Entsetzen fiel mir ein, dass ich sie aufs Dach
gelegt hatte und dort war sie natürlich nicht mehr. Obwohl ich sofort den Weg zurückfuhr, war sie
nirgends zu finden. So habe ich ein zweites Mal jemanden glücklich gemacht.
Angelika und ich beschlossen zu heiraten. Wir waren beide keine sehr gläubigen Menschen und
wollten nur standesamtlich getraut werden. Angelikas beste Freundin war ihre Trauzeugin und ich
griff auf Bewährtes zurück. Mein Trauzeuge war wie auch bei Regina Gregor. Wir hatten eine
Mietkneipe ausgesucht, die ein ehemaliger unterirdischer Bunker war. Dort konnten wir so laut sein,
wie wir wollten, denn es wurde niemand gestört. Alle meine Freunde und ehemaligen Mitmusiker
waren da und haben mit uns bis in die Morgenstunden gefeiert.
Eines Tages kam ich in unser Studio und sah schon von weitem, dass etwas nicht stimmte. Die Tür
stand offen und beim Näherkommen bemerkte ich, dass sie aufgebrochen war. Drinnen dann der
Schock. Unser ganzes Equipment war weg. Nachdem wir uns von diesem Schlag etwas erholt
hatten, beschlossen Franz, Peer und ich, dass wir uns nicht auf die Polizei verlassen wollten. Die
hatte zwar den Diebstahl aufgenommen, aber uns wenig Hoffnung gemacht. Wir starteten eine
Kampagne. Wir ließen Flugblätter drucken und verteilten sie überall. Wir hängten sie an Bäume und
Türen und klebten sie auf Litfaßsäulen. Im Grunde genommen wusste nun jeder in Hildesheim, was
uns zugestoßen war. So auch der Dieb, der durch unsere Aktion Angst bekam. Und dann kam der
erlösende Anruf. Er sagte uns, wo wir unser Equipment finden würden und wir konnten endlich
aufatmen.
Am 27. Oktober 1981 war es soweit. Im Hildesheimer Krankenhaus kam unser Sohn zur Welt.
Christian wog 3000 Gramm und schrie wie am Spieß. Er hatte am Kopf ein großes
Blutschwämmchen und sein Kinn war komplett verschoben. Ich war entsetzt. Der Arzt versuchte
uns zu beruhigen. Das wäre nicht schlimm, das mit dem Kinn würde innerhalb von ein paar Tagen
weg sein und das Blutschwämmchen nach ein paar Monaten verschwinden. Ich glaubte ihm kein
Wort, doch er sollte recht behalten.
Wenn man jeden Tag 12 Stunden in einer Taxe sitzt, hat man ein enorm gutes Gefühl für das
Fahrzeug. Ich habe nie mehr wieder ein Auto so gut im Griff gehabt wie damals meine Taxe. Im
Winter wenn Schnee lag, habe ich mir einen Spaß daraus gemacht, die Kurven ohne großes Lenken
nur mit Geschwindigkeit und richtigem Bremspunkt zu nehmen. Ich konnte so mit meinem Auto
schlittern, dass es sich um 180 Grad drehte.
In den Ferien hatten wir öfter Besuch von meinen beiden Schwägerinnen Renate und Leoni. Sie
waren Teenager und freuten sich, endlich den Fängen von Mama und Papa entfliehen zu können.
Sie schliefen im Wohnzimmer in der Schuhstraße auf Luftmatratzen und es fühlte sich so an, wie
wenn wir im Ferienlager wären. Christian war ein ruhiges Baby, hat schnell nachts durchgeschlafen
und nur dann geschrien, wenn er Hunger hatte. Meine beiden Schwägerinnen liebten es, mit uns auf
Partys zu gehen. Da waren alle älter als sie und sie fühlten sich richtig erwachsen. Christian war so
ein genügsames Baby, dass wir ihn überall mit hinnehmen konnten. Wir parkten ihn einfach in
einem nicht benutzten Zimmer und schauten alle halbe Stunde nach ihm.