Page 42 - Michaels_Buch Februar_neu
P. 42
die stark nach Schweinedung roch. Wir fuhren jeden Tag mit einem alten VW-Bus von Graue aus zu
den Aufnahmen. Die Fahrt war die reinste Tortur, denn bei dem Bus funktionierte die Heizung nicht
und es war bitterkalt. Wir brauchten sechs Wochen, dann war das Album „Return to Reality“ fertig.
Cliff war der Boss von Epitaph und regierte sein Imperium mit harter Hand. Er war Perfektionist
und wir spielten an Tagen, an denen wir keine Gigs hatten oder ins Studio fuhren unser Programm
einmal vormittags und nachmittags komplett durch. Wir waren so fit, dass man uns mitten in der
Nacht wecken gekonnt und wir sofort jeden Song fehlerfrei gespielt hätten. Fritz war sogar so
ehrgeizig, dass er freiwillig eine dritte Schicht einlegte und das Programm nochmal nur mit Click
durch trommelte.
In unserer Nachbarschaft gab es eine weitere Band, die ein ganzes Haus hatte. Mein Bruder stieg
dort als Gitarrist ein. In der Band spielte CC Behrens Schlagzeug, Ulla Knüttel Bass und Gerd
Knüttel Gitarre. Sie hieß Bella Donna und war mäßig erfolgreich. Gerd wurde später ein überaus
erfolgreicher Soundmann und arbeitete mit vielen internationalen Acts. Heute ist er hauptsächlich
für die Toten Hosen tätig. Da Bella Donna nicht viele Gigs hatten, arbeiteten CC und Gerd
zusätzlich in Bremen bei der Flugsicherung.
Cliffs Freundin hieß Birgit und wohnte in Dortmund. Sie war öfter bei uns in Graue, hatte aber
einen Job und konnte deshalb nicht mit Cliff zusammen wohnen. Deshalb war er oft in Dortmund
und blieb dann immer eine Woche lang weg. Das waren für uns richtige Ferien, weil wir nicht üben
mussten. Fritz schlug mir vor, zusammen ein Duo zu bilden, nach Vorbild von Hardin and York.
Das war ein britisches Rockduo bestehend aus Eddie Hardin und Pete York, die früher bei der
Spencer Davis Group gespielt hatten und mit instrumentaler Musik in Deutschland großen Erfolg
hatten. Fritz lieh sich von seiner Mutter Geld und kaufte ein Basspedal, auf dem ich mit den Füßen
den Bass spielen konnte.
Dass wir eine zweite Band hatten, durfte Cliff nicht wissen, deshalb probten wir sicherheitshalber
bei Bella Donna. Gerd hatte eine Vierspuraufnahmemaschine und nahm unser ganzes Repertoire
auf. Wir übten immer dann, wenn Cliff in Dortmund war. Eines Tages kam er früher als erwartet
zurück und wir flogen auf. Er tobte und verbot uns strikt weiter zu machen. Fritz wollte sich
dagegen wehren, aber ich hatte zu viel Angst vor dem Tyrannen und gab auf. Fritz war tagelang
sauer auf mich, hat sich dann aber wieder beruhigt.
Nach unserer Tour mit Omega spielten wir auf vielen Rockfestivals, meistens mit anderen
deutschen Rockbands. Da Epitaph sehr publikumsorientierte Rockmusik machte, wollten die
anderen Bands nicht direkt nach uns spielen, denn die Fans riefen noch nach Zugaben von uns,
wenn die nächste Gruppe schon angefangen hatte. Da Cliff eine neue Besetzung hatte, traute sich
Guru Guru mal wieder nach uns zu spielen, aber der gleiche Effekt trat ein. Manni Neumeier der
Boss von Guru Guru kam danach zu Cliff und meinte: „Ich dachte mit der neuen Besetzung haben
wir endlich mal eine Chance gegen Dich, aber es war wieder nichts. Ich werde nie mehr nach Dir
spielen.“
Im Sommer 1978 verfolgte ich zum ersten Mal eine Fußballweltmeisterschaft. Ich habe fast alle
Spiele mit Franz zusammen geschaut und es war eine sehr schöne Zeit. Ich erinnere mich besonders
an unser beider Lieblingsspieler Mario Kempes, der mit Argentinien dann auch Weltmeister wurde.
Direkt nach der Weltmeisterschaft zog Franz ins Bella Donna-Haus und ich neben Heinz und
meiner Schwester zusammen mit Ilona nach Graue ins Schulhaus. Fritz wohnte mit Ute Elke
Schneider zusammen unten neben Cliff. Ute Elke Schneider ist heute mit dem Fury Gitarristen
Christoph Stein-Schneider verheiratet.
1977 wurde Hanns Martin Schleyer entführt und später von der RAF ermordet. Eine großangelegte
Rasterfahndung begann. Da wir genau in dieses dumm angelegte Raster passten, wurden wir bei
Fahrten zu Auftritten ständig angehalten und überprüft. Das gipfelte darin, dass wir allein dreimal