Page 59 - Michaels_Buch Februar_neu
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Gitterrockband und die anwesenden Musiker machten Witze, als die Jungs zu spielen begannen. Sie
traten zwar sehr selbstbewusst auf, doch an ihren Instrumenten waren sie noch recht stümperhaft.
Das tat aber der Stimmung keinen Abbruch, und mit fortschreitender Zeit wurde es durch den
Bierkonsum immer lustiger. Bis morgens um drei Uhr ging die Party und sie konnte als voller
Erfolg verbucht werden.
1987 Ungewollt und doch geliebt Part 1
Am 14. Januar wurde Andi geboren. Angelika und ich waren uns eigentlich einig, dass mit Christian
und Hanna unsere Familienplanung abgeschlossen sei und da sie die Pille nicht vertrug, mussten
wir auf alternative Verhütungsmethoden zurückgreifen. Wir benutzten ein chemisches
Verhütungsmittel, das die Spermien abtöten sollte. Doch bei uns hat das Mittel versagt, denn
plötzlich war Angelika schwanger. Wir waren uns sofort einig, dass wir das Kind bekommen
wollten.
Doch dann gab es ein Problem. Das Baby lag falsch herum und wir wurden vor die Entscheidung
gestellt, eine normale Geburt mit der Gefahr einer Verletzung für das Kind oder ein Kaiserschnitt.
Wir entschiedenen uns für letzteres. Bei Christian und Hanna war ich bei der Geburt dabei. Das war
für mich eine schreckliche Erfahrung, denn ich kann kein Blut sehen. Früher, zu Zeiten meiner
Eltern, wäre es undenkbar gewesen, dass der Vater bei der Geburt dabei war, aber in Zeiten der
Emanzipation werden Männer moralisch gezwungen, anwesend zu sein.
Bei Andi blieb mir das erspart. Ich war bei Angelika, als sie die Spritze bekam, dann wurde sie
weggebracht und zehn Minuten später saß ich in einem Zimmer mit meinem Jüngsten zusammen,
der in seiner Wiege wie am Spieß schrie. Ich probierte alles, um ihn zu beruhigen, aber nichts half.
Bis zu dem Zeitpunkt dachte ich, ich würde mich mit Babys auskennen, denn ich hatte ja bereits
zwei Kinder. Aber mit so einer Situation wurde ich nie konfrontiert. Ich habe mich immer über die
Leute mokiert, die davon sprachen, wie schlimm die erste Zeit mit dem Baby wäre. Meiner
Meinung nach wussten die einfach nicht, wie man mit ihnen umgehen musste.
Jetzt hatte das Schicksal mich für meinen Hochmut bestraft. Ich war ganz verzweifelt und griff zu
einem Mittel, das man eigentlich nicht anwenden sollte. Ich gab Andi einen leichten Klaps auf den
Po. Im ersten Moment dachte ich, dass ich das richtige Mittel gefunden hätte, denn das Geschrei
hörte unvermittelt auf. Aber es war wohl nur die Verblüffung, denn im nächsten Moment ging es
noch lauter weiter.
Dann wurde Angelika ins Zimmer geschoben. Sie war von der Narkose noch total neben der Spur
und als die Schwester ihr Andi auf den Bauch legen wollte, hat sie ihn immer wieder
weggeschoben. Ich konnte mir dieses sonderbare Verhalten überhaupt nicht erklären. Später hat sie
mir gesagt, dass sie hatte Angst, ihn in ihrem Zustand fallen zu lassen.
Das war meine erste Begegnung mit Andi und sie sollte richtungsweisend für die nächsten Monate
sein. Andi schrie und schrie. Er schrie am Tag, er schrie in der Nacht, er schrie nach dem Essen und
er schrie beim Wickeln. Wir waren alle genervt.
Das Haus am Mühlenweg bestand aus vier Wohnungen. Neben unserer Wohnung im ersten Stock
war ein recht großer Schuppen angebaut. Irgendwann vor unserem Einzug hatte man die Wohnung
um ein Zimmer erweitert, das direkt über dem Schuppen lag. Da er etwas höher gelegen war, führte
eine kleine Treppe mit fünf Stufen in dieses Zimmer. Dort hatte ich ein Hochbett gebaut, das die
gesamte Wand einnahm. Unter dem Hochbett gab es einen kleinen Aufnahmeraum mit Fenster zu
einem Miniregieraum. Der Aufnahmeraum war so schallisoliert, dass keine Geräusche nach außen
drangen. Wenn wir das Geschrei von Andi mal wieder nicht mehr aushielten, haben wir seine Wiege
für eine Weile da rein gestellt, draußen im Regieraum gesessen, ihm zugesehen und die Stille
genossen.