Page 66 - Michaels_Buch Februar_neu
P. 66
Ich hatte wieder einmal Schüler im Rahmen des Know How-Transfers. Diesmal waren es
Amerikaner aus North Carolina. Drei Frauen und zwei Männer saßen erwartungsvoll vor mir. Ich
startete mit meinem mittlerweile schon zweimal erfolgreich angewandten Lehrplan. In der ersten
Woche ging auch alles recht gut, aber als die Anforderungen schwerer wurden, stockte es. Ich
merkte, dass es diesmal nicht so leicht werden würde und hatte eine Besprechung mit Herrn van der
Meer. Ich schlug ihm vor, dass wir die Gruppe aufteilen sollten und wünschte mir Simon als
zweiten Lehrer. Er war damit einverstanden und Simon und ich arbeiteten die nächsten drei Wochen
mit unseren Schülern in zwei Räumen. Als die Zeit vorbei war, kamen alle Schüler zu mir und
sagten, dass sie sich noch unsicher fühlten und ob es nicht möglich wäre, dass ich für einige Zeit zu
Ihnen nach Kings Mountain kommen könne, um Ihnen in der Anfangszeit zu helfen. Ich schickte sie
zu Herrn van der Meer und der setzte durch, dass ich in die USA fliegen konnte.
Ich besorgte mir ein Visum und dann ging es auch schon los. Es war mein erster Flug überhaupt und
ich war sehr aufgeregt. Ich flog von Hannover nach Frankfurt und von dort mit einer 747 der
Lufthansa weiter nach Atlanta. Die Firma hatte sich nicht lumpen lassen und mich Businessclass
fliegen lassen. In Atlanta hatte ich zwei Stunden Aufenthalt und flog dann mit Delta Airlines nach
Charlotte. Wir waren etwa eine Stunde in der Luft, als ein heftiges Gewitter losbrach. Die Frau
neben mir geriet in Panik. Ich musste ihre Hand halten und immer wieder beruhigend auf sie
einreden. Ich selbst hatte auch Angst, denn es knarrte und krachte, so dass man meinte, das
Flugzeug würde jeden Moment auseinanderbrechen. Aber nichts passierte und wir landeten sicher
in Charlotte.
Ich holte mein Gepäck ab und sah dann meine Schüler, die mich am Airport begrüßen wollten. Sie
staunten nicht schlecht, als die Frau mir um den Hals fiel, mich auf beide Wangen küsste und sich
dann verabschiedete. Wir gingen zu der nächsten Autovermietung, wo bereits ein cooler Mietwagen
für mich bereitstand. Ich fuhr hinter einem meiner Schüler her und er lotste mich ins Holiday Inn in
Kings Mountain. Dort checkte ich ein, aß eine Kleinigkeit und fiel ganz geschafft sofort in einen
tiefen Schlaf.
Der nächste Tag war ein Sonntag und ich hatte ihn ganz für mich allein. Nach dem Frühstück setzte
ich mich in meinen Buick und erkundete die Gegend. Etwas außerhalb standen alte Südstaaten-
Häuser wie ich sie nur aus dem Fernsehen kannte. Ich fühlte mich wie in „Vom Winde verweht“
und hätte mich nicht gewundert, wenn gleich Vivien Leigh und Clark Gable auf einer Veranda
erschienen wären.
Mittags ging ich zu Burger King und gönnte mir einen Whopper mit Pommes. Im Holiday Inn gab
es ein kleines Restaurant, in dem ich zu Abend aß. Ich wollte mir zum Essen ein Bier bestellen und
hab erfahren, dass es im gesamten County keinen Alkohol gab. Die Bürger hatten das in einer
Abstimmung so veranlasst und die Gegend zum Dry County gemacht. Wer mit Alkohol auf der
Straße erwischt wurde, kam in den Knast. Ich war baff. Dann erklärte mir der nette Kellner aber,
dass man 20 km weiter in South Carolina durchaus Alkohol kaufen könne und den auch hier trinken
dürfe, allerdings müsse er so verpackt sein, dass man ihn von außen nicht erkennen könne.
Am nächsten Morgen wurde ich abgeholt und in die Fabrik gelotst. Dort überreichte man mir zu
meinem Erstaunen einen Schutzhelm, den ich tragen musste, denn um zur Tontechnik zu gelangen,
ging es durch die Fertigungshalle. Dort konnte einem zwar nichts auf den Kopf fallen, aber es war
nun mal Vorschrift. Alle Leute, die mir begegneten haben mich mit den Worten „How are you
doing“ begrüßt, das wurde aber so schnell gesprochen, dass es wie „hoien“ klang. Ich hab mir das
dann auch angewöhnt und jeden damit begrüßt.
Dann habe ich zum ersten Mal meinen neuen Arbeitsplatz gesehen. Ich war von den Socken. Ich