Page 70 - Michaels_Buch Februar_neu
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war natürlich nicht annähernd so aufwendig wie die von Herrn Grimme, aber auch hier wurde mein
            Film vorgeführt. Als die Stelle in ihrem Studio kam, wurde Frau Kuttner fast rot, denn jetzt sah sie
            den Grund. Es war ihr richtig peinlich, dass sie sich so echauffiert hatte und hat sie sich bei Herrn
            Riemer entschuldigt.


            Zu der Zeit hatte ich einen Mercedes 123. Beide Kotflügel waren verrostet und ich hatte mir bei
            ATU zwei neue gekauft. Als ich in der Werkstatt hörte, was die Reparatur kosteten sollte, bin ich
            auf die Idee gekommen, das selbst zu machen. Damals gab es zu fast jedem Autotyp ein Buch, in
            dem alle Reparaturarbeiten erklärt wurden. Ich fuhr nach Hannover und kaufte mir das Do it
            Yourself-Buch für den 123er. Dann habe ich tatsächlich die Kotflügel ausgetauscht. Ich hatte vorher
            noch nie an einem Auto herum geschraubt, es aber so spannend gefunden, dass ich aus Spaß das
            halbe Auto zerlegt, ein paar Verschleißteile ausgetauscht und dann wieder zusammen gebaut habe.
            Gerade als ich damit fertig war und ich unter dem Auto lag, bekam ich einen Stich in den Rücken.
            Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich lag da, schaute den Auspuff an und rief immer wieder um
            Hilfe. Endlich kam Angelika mit den Kindern vorbei und half mir aus meiner Misere. Ich lag eine
            Woche im Bett, dann war alles wieder okay.

            Ich holte wieder mal Hanna von der Grundschule ab. Sie saß noch mit ein paar Freundinnen
            zusammen und Frau Kiesling, ihre Lehrerin nahm mich beiseite. Sie sagte; „Ich wollte Ihnen das
            schon lange einmal sagen. Ich bin jetzt über dreißig Jahre im Schuldienst, aber so ein Kind wie
            Hanna habe ich noch nie erlebt. Sie ist die sozialste Schülerin, die ich je unterrichtet habe. Wenn
            jemand Probleme hat, hilft sie sofort und stellt sich ungeachtet, ob es für sie unangenehm werden
            kann vor jeden, der Schutz braucht.“ Das war jetzt für mich nichts Neues, denn ich kannte meine
            Tochter sehr gut, aber es hat mich doch stolz gemacht. Meine drei Jungs waren in der Öffentlichkeit
            immer etwas schüchtern, Hanna dagegen war selbstbewusst und konnte mit jeder Situation
            souverän umgehen.
            Und dann kam mein nächster Einsatz als Filmemacher in der Firma. Hans Nagel ging in Pension. Er
            war in der Technikabteilung und wegen seines überaus freundlichen Wesens bei allen sehr beliebt.
            Da musste nicht nur ein Film her, sondern das Event sollte richtig krachen. Ich war mal wieder von
            allen anderen Aufgaben entbunden und drehte fleißig für den Nagel-Film. Die Tonmeister hatten die
            Organisation der Feier unter sich.

            Die wurde intensiv vorbereitet. Texte wurden auf bekannte Stücke geschrieben und wir probten mit
            unseren Instrumenten mehrere Lieder ein. Ich spielte Bass bei Paulchen Panther und sang bei Ghost
            Busters. Ich schrieb selbst einen Text zum Song „Summertime“ den Herr Riemer sang. Die
            Verabschiedung war ein voller Erfolg und natürlich für uns alle wieder mal ein Grund, um danach
            eine rauschende Party zu feiern.

            1992 Chinesisches Gezwitscher

            Herr Riemer kam wieder mal in mein Studio und hatte jetzt eine Nachricht, die mich umhaute. Ich
            sollte im nächsten Monat nach China fliegen, um dort Tontechniker auszubilden. Ich war total aus
            dem Häuschen. China, eine ganz andere Kultur, andere Gerüche, andere Lebensphilosophien, ich
            konnte es gar nicht erwarten. Ich sollte nach Hongkong fliegen, das gehörte damals noch zu
            England und es gab eine scharf bewachte Grenze zu China. Und dann war es soweit. Mit drei
            Kollegen aus der Fertigung flogen wir von Langenhagen aus nach Frankfurt. Dort stiegen wir in
            eine 747 der Lufthansa, natürlich wieder Businessclass, und starteten in Richtung Hongkong.


            Die Kollegen waren Gustav, Ferdinand und Kalle, mit denen ich mich auf Anhieb blendend
            verstand. Ich hatte meine Videokamera dabei und filmte, was das Zeug hielt. Heute gibt es den
            International Airport, damals war es noch der Kai Tak, der als einer der am schwersten zu
            landenden Flughafen der Welt galt und nur von vorher eingewiesenen Piloten angeflogen werden
            durfte. Gottseidank hat das von uns Vieren keiner gewusst und so kamen wir recht vergnügt an.
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