Page 72 - Michaels_Buch Februar_neu
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waren, dass das besser ankommen würde. Wie sie richtig hießen, habe ich nie erfahren. Im
            Gegensatz zu meinen vorigen Schülern waren sie beide Tontechniker und mussten nur in die neue
            Technik eingewiesen werden. Das erleichterte meine Arbeit sehr.

            Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie alle Master von uns aus Langenhagen erhalten und ich staunte
            nicht schlecht, als ich ein U-Matic Band mit meiner eigenen Beschriftung mitten in China sah. Ab
            jetzt kam nichts mehr aus Deutschland, denn ich musste dafür sorgen, dass sie das selbst erledigen
            konnten. Das ging recht flott, da beide Schüler sehr gut englisch sprachen und eine gute
            Auffassungsgabe hatten.

            Abends ging es dann ins Hotel zurück und besonders Charlie und ich hingen noch bei ein paar Bier
            entweder in seinem oder in meinem Zimmer rum. Morgens trafen wir uns alle vier beim Frühstück,
            in einem riesigen eleganten Raum, wo wieder äußerst attraktive Frauen die Gäste bedienten. Sie
            hatten lange hoch geschlitzte Röcke an, die viel wohl geformtes Bein sehen ließen.

            Freitagmittag war dann für uns Feierabend und wir fuhren mit dem Zug zurück nach Hongkong.
            Leider hatte meine Videokamera, kurz nachdem wir in der Fabrik ankamen, den Geist aufgegeben.
            Die hohe Luftfeuchtigkeit hatte sie wohl nicht verkraftet, so dass ich keine weiteren Aufnahmen
            machen konnte.


            Wir bezogen wieder unsere Zimmer und stürzten uns ins Nachtleben. Charlie und ich zogen durch
            die Diskotheken, während sich die beiden anderen kulturellen Vergnügungen hingaben. Nach dem
            Frühstück waren wir dann aber immer zu viert unterwegs.

            Wir besuchten Kowloon und fuhren mit der Peak Tram auf den Victoria Peak, wo wir einen weiten
            Blick über Kowloon und große Teile der Insel Hongkong hatten. Wir machten einen Tagesausflug
            nach Ngong Ping auf Lantau Island. Zuerst fuhren wir mit der Fähre und stiegen dann in einen Bus,
            der uns in abenteuerlicher Fahrt durch gewundene kleine Bergstraßen zu einem Kloster brachte, wo
            wir den Big Buddha, eine der fünf größten Buddha Statuen in China bewundern konnten.


            Wenn wir während der Woche morgens in die Fabrik kamen, sahen wir immer wieder Mitarbeiter,
            die mit ihren Köpfen auf den Tischen lagen und fest schliefen. Das konnte ich überhaupt nicht
            verstehen, aber Lilly hat mir erklärt, dass das alles Bauern seien, die seit 4 Uhr auf dem Feld
            arbeiteten und jetzt mit Erlaubnis der Firmenleitung ein kleines Nickerchen machen durften.

            Richtig gewöhnungsbedürftig war die Kantine. Da es weit und breit kein Lokal gab, mussten wir
            mittags dort essen. Es gab weder Messer noch Gabel, aber ich habe recht schnell gelernt, Stäbchen
            zu benutzen. Wir waren nach einiger Zeit so gut darin, dass wir uns einen Spaß daraus machten, uns
            einzelne Reiskörner zu reichen. Es gab immer nur ein Gericht, so eine Art Eintopf, der aber nicht
            schlecht schmeckte. Der einzige Wermutstropfen waren die vielen Fliegen. Wir sahen in die offene
            Küche hinein und bemerkten, dass die Fliegen, die auf dem Essen saßen einfach eingerührt wurden.
            In den ersten Tagen hat uns das noch gestört, aber dann gewöhnten wir uns daran. Es war halt eine
            Proteineinlage mehr.


            Mittwochs hatten wir bereits um 13 Uhr Schluss und Charlie und ich besuchten den örtlichen
            Markt. Das war wie eine Reise ins Mittelalter. Schon allein die Gerüche waren exotisch. Überall
            gab es Garküchen und es wurden alle möglichen Speisen angeboten. Man sah lebende Schlangen,
            denen die Köpfe abgeschlagen und direkt für den Gast zubereitet wurden. Es standen Käfige mit
            Hunden und Katzen bereit, die bei Bedarf geschlachtet wurden. An den Ständen hingen platt
            gedrückte Hühner zum Verkauf und überall wurde Reiswein ausgeschenkt.


            Wir waren schon eine halbe Stunde unterwegs und von den Eindrücken erschlagen, als wir um eine
            Ecke bogen und das Ganze noch getoppt wurde. Vor uns stand, wie aus einer anderen Welt, ein MC
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