Page 67 - Michaels_Buch Februar_neu
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kannte zwar alle Geräte, aber bei uns war das alles lieblos zusammengestellt. Hier aber hatte
            offensichtlich ein Innenarchitekt die Finger im Spiel gehabt und alles war in chromblitzenden
            Regalen untergebracht und dazu noch funkelnagelneu.

            Ich lernte den Chef der Abteilung kennen. Er hieß Jim Gillcrist, sagte zu allen meinen Vorschlägen
            „Whatever makes sense“ und ließ mir freie Hand. Wir hatten auch gleich richtige Aufträge, die dann
            umgehend im Werk verarbeitet wurden. Meine fünf Mitarbeiter zogen gut mit und der Tag verging
            wie im Flug.


            Wieder im Hotel angekommen, rief ich zuerst Angelika an. Sie nahm ganz verschlafen den Hörer
            ab, denn ich hatte ganz vergessen, dass es in Deutschland bereits 24 Uhr war, der Zeitunterschied
            betrug 6 Stunden.


            Bevor ich am nächsten Morgen in die Firma fuhr, rief ich Simon in der PolyGram an. Da die Firma
            alle Telefonate bezahlte, konnte ich ihm ausgiebig berichten, was ich hier erlebte. Ich schwärmte
            ihm vor, wie toll alles wäre, es sei nur schade, dass er nicht dabei sei. Das hat ihn dann auf eine
            abenteuerliche Idee gebracht. Als ich ihn zwei Tage später wieder anrief, sagte er mir, ich solle
            Samstagmorgen um 8 Uhr in Charlotte am Airport sein, dort würde eine Überraschung auf mich
            warten.


            Ich fuhr wieder zur Arbeit und lernte drei Deutsche kennen, die in der Fertigung Leute ausbildeten.
            Sie waren zwei Wochen vor mir von Langenhagen aus losgeflogen und gaben mir alle möglichen
            Tipps, was man hier anstellen könne.

            Die Woche verging wie im Flug und ich war am Samstag pünktlich am Flughafen. Ich konnte mir
            beim besten Willen nicht vorstellen, was für eine Überraschung mich erwarten würde. Ich dachte
            Simon hätte mit meinen Schülern etwas ausgeheckt und erwartete meine fünf Gesellen gleich zu
            sehen. Dann hörte ich meinen Namen rufen. Ich drehte mich um und Simon stand vor mir. Ich war
            wie vom Donner gerührt und glaubte eine Fata Morgana zu sehen. Doch er war es wirklich. Er hatte
            in einer Blitzaktion ein Visum bekommen und mit einer abenteuerlichen Erklärung Sonderurlaub
            erhalten. Keiner wusste, dass er zu mir in die USA geflogen war. Wir kauften eine Flasche Southern
            Comfort, denn das war sein Lieblingsgetränk, und reichlich Bier für mich. Dann fuhren wir zurück
            nach Kings Mountain.


            Ich zeigte ihm alles, was ich mittlerweile kennen gelernt hatte. Wir fuhren zur Fabrik, schauten uns
            die Südstaaten-Häuser an und abends feierten wir eine Party zu zweit. Da ich ein großes Doppelbett
            hatte, war die Unterbringung kein Problem. Am nächsten Tag rief ich meine Schüler an und lud sie
            zu einer Cola ein, denn ich hätte eine Überraschung für sie. Nacheinander erschienen sie und
            schauten mich erwartungsvoll an. Simon hatte sich auf der Toilette verschanzt und als alle da waren,
            kam er an unseren Tisch. Es gab ein riesiges Hallo, alle redeten durcheinander und fielen ihm
            glücklich in die Arme.
            Simon konnte eine Woche bleiben und wir hatten jede Menge Spaß. Nacheinander luden uns die
            Schüler zu sich nach Hause ein und so kamen wir in den Genuss von richtig gutem amerikanischen
            Barbecue. Tagsüber fuhr Simon mit dem Buick durch die Gegend und abends war Party angesagt.
            Die Zeit verging wie im Flug und ich brachte ihn zum Airport. Traurig ging er durch die Absperrung
            und ich war wieder allein.

            Ich fuhr zurück nach Kings Mountain und war so in Gedanken, dass ich nicht merkte, dass ich
            etwas zu schnell fuhr. Auf dem Highway galt ein Tempolimit von 55 Meilen. Plötzlich hörte ich
            hinter mir eine Sirene. Es klang ganz so, wie man das aus amerikanischen Filmen kannte. Ein
            Polizeiauto überholte mich und winkte mich rechts ran. Ich überlegte kurz, wie ich aus dieser Sache
            wieder herauskommen sollte und hatte eine Idee. Ich war ja Deutscher mit einem Pass mit Visum
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