Page 207 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
P. 207
Die Entstehung der ersten Wortbedeutungen beim Kinde.
195
sehi' differenter Gregenstäiide gebraucht werden, als »Wortverallgemei-
nerungen« bezeichnet (Ament), oder als Begriffe von großer Allge-
meinheit (Frey er), in beiden Fällen begeht man denselben Fehler,
man vergegenwärtigt sich 1. nicht, was das Kind eigentlich bezeichnet,
2. verdeckt man mit dieser Tenninologie den vöUig unbegrifEHchen alo-
gischen Charakter dieser ersten Bedeutungsbildungen, in Folge dessen
wird dann 3. in der Regel das ganz besonders wichtige Problem in
der kindlichen Sprachbildung übersehen, wie aus diesen anfangs
alogischen associativ gebildeten Wortbedeutungen die eigentlichen
Begriffe entstehen.
Ich versuche nun aus Beispielen klar zu machen, wie die associa-
tiven Wortbedeutungen des Kindes in Wahrheit zu denken sind.
Nehmen wir einen von Romane s mitgetheilten Fall onomatopoeti-
scher Benennung (Preyer S. 299). »Ein Kind, welches zu sprechen
anfing, sah und hörte eine Ente auf dem Wasser und sagte >ktcak*.
Darauf nannte es einerseits alle Vögel und Insecten, anderseits alle
Flüssigkeiten kuak. Endlich nannte es auch alle Münzen kuak, nach-
dem es einen Adler auf einem Geldstück gesehen hatte« i). Es be-
zeichnete also schließlich mit demselben Worte so verschiedenartige
Gregenstände wie die Münze, die Fliege und den Wein. Preyer
deutet das natürlich als allmähliche Verallgemeinerung eines Begriffs.
Dies ist ebenso falsch, wie wenn Rzesnizek in dem Uebertragen des
Wortes ktiak auf die Münze ein bloßes Verblassen der ursprünglichen
Bedeutung sieht (Rzesnizek S. 18). Wir müssen hierbei zwei Stadien
der Wortbildung von einander trennen, die Ausdehnung des einmal
gewonnenen Wortes kuak von den Vögeln auf die Münze; diese ist
nichts anderes als associative Uebertragung durch Simultaneität und
zeigt die reine Wirksamkeit der Association. Sie folgt dem Schema,
was bei Gelegenheit des Aktes der Benennung gleichzeitig in den
Blickpunkt der Aufmerksamkeit fällt, das assocürt sich mit der Be-
nennung und wird in die Wortbedeutung aufgenommen. Hier haben
wir zugleich ein besonders deutliches Beispiel von dem völlig alogi-
schen, rein associativen Charakter der kindlichen Bedeutungsbüdung,
denn die Münze wird wirklich als neuer Wortinhalt aufgenommen,
aber die Verschiedenartigkeit der bezeichneten Gegenstände (Münze
1) Nämlich auf einem Sous.
13*