Page 264 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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man darum die »Aussagelosigkeit« zu pflegen habe*). Aber selbst
diese Ansichten tragen die Pyrrhoniker nur in der Form des »viel-
leicht«, »es ist möglich«, »es kann sein« vor 2), ohne feste Versiche-
rung; zudem wollen die skeptischen »Redensarten« nicht allgemein-
gültige "Wahrheiten, sondern nur den augenbHcklichen subjectiven
Zustand des Nichtbestimmen-, Auffassen-, Aussagen-Könnens im ur-
theilenden Subject anzeigen ^j. Um aber der Vorsicht und Vorurtheils-
losigkeit die Krone aufzusetzen, so weisen die Pyrrhoniker auch das
Urtheil von der Wahrheit der Urtheilslosigkeit zurück, indem sie die
skeptischen Redensarten gegen sich selbst kehren und so einiger-
maßen der Schlange gleichen, welche sich mit dem eigenen Zahn
verwundet. Oder, um den weit treffenderen Vergleich, den die Skep-
tiker selbst ersannen, heranzuziehen: die skeptischeil Redensarten heben
sich selber auf »gleichwie die Purgative nicht nur die Flüssigkeiten
aus dem Körper forttreiben, sondern auch sich selbst und die Flüssig-
keiten zugleich herausführen« 4). So kehrt sich das ouosv [xaXXov gegen
sich selbst und ist »um nichts mehr« wahr als falsch; so steht dem
jravTi Xdytp loo? Xö-^oc, dvnxsTxai durch seine eigene Kraft die Anti-
these gegenüber und der Satz verschlingt sich selbst^). Daher wollten
die Pyrrhoniker strenger Observanz ilire Philosophie nicht als System
{aTpsaic), sondern als eine Richtung {a.^io'{-i]) bezeichnet wissen ß). Zeigt
so der Pyrrhonismus von außen gesehen eine fast übertrieben vor-
sichtige und voraussetzungslose Gestalt, so scheint er für den näm-
lichen Oberflächenstandpunkt das Aeußerste an philosophischer Kritik
zu leisten. Diese Gabe der Kritik wird geradezu als das skeptische
Vermögen, die oxstttuy] Suvafxi; selbst bezeichnet. Es besteht darin,
die Aussagen der Sinne und der Vernunft in jeder erdenklichen
Weise einander gegenüber zu stellen ^j.
1) P. I, 197—201, 196, 188-191, 192/93. Diog. IX, 74—76.
2) P. I, 194/95.
3) "Wie in der Commentirung , welche die oxeTrxtxcxt cpwvai durch Sextus an
den obigen Stellen erfahren, wiederholt versichert wird. Diog. IX, 74, 104. An
letzterer Stelle werden die skeptischen Aussagen treffend »Bekenntnisse« (d$o(xo-
XoY'/jciet;) genannt.
4) P. I, 206. Diog. IX, 76.
5) P. I, 14/15. Diog. IX, 75/76.
6) P. I, 16/17.
7) P. I, 8—10.