Page 293 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticismus.  281
      über  die Tendenz im Zweifel  sein;  aber  die  specielle  Illustration
     desselben an  einer andern Stelle klärt darüber auf,  dass auch  er
     nicht negativ dogmatisch gefasst  sein will: Math. XI, 91—95 wird
     die absolute Geltung eines bestimmten,  sittlich differenten Werthes,
     nämlich der Thorheit als eines Uebels, bestritten auf Grund der Er-
     wägung,   dass die Thorheit nicht für Alle ein Uebel ist; und dann
     heißt es:  et 8s  (xyj tautr^v ouo' aXXo xt TÖiv Xsyojasvwv xaxuiv. So wird
     auch hier die Kelativität nur auf die von den Menschen angebHch
     erkannten Werthe   eingeschränkt. —  In  gleicher Weise  läuft  die
     skeptische Auffassung neben der negativ-dogmatischen von dem Dasein
     der absoluten Werthe in denjenigen Partien einher,  in welchen der
     eudaimonistische Standpunkt und       das  glückfördernde Moment,
     das im ethischen Skepticismus liegen soll, hervorgekehrt wird;  wie
     mir scheinen  will, ausgesprochener  in Math. XI  als im  III. Buch
     der Hypotyposen.   So  verfolgt diejenigen,  >die  ein an sich Gutes
     und Schlechtes voraussetzen«,  die Kakodaimonie ; denen aber,  »die
     hierüber nichts bestimmen und sich enthalten, fließt das Leben leicht
     dahin« ^). Und an einer andern Stelle heißt es: wer sagt, dass etwas
     »an sich um nichts mehr zu erstreben als zu fliehen und um nichts
     mehr zu fliehen als zu erstreben«  sei, der wird ein glückliches Leben
     führen 2), und XI, 147 tritt das ou  \i.aXko^ noch einmal in seiner An-
     wendung auf die sittlichen Werthe hervor. Wer aber den skeptischen
     Gebrauch des ou [xaXXov kennt, weiß, dass mit demselben immer nur
     die Erkenntnissunmöglichkeit, niemals das Nichtvorhandensein einer
     Beschaffenheit bezeichnet werden solP).
        3) Wendet man     sich  nunmehr   denjenigen  Aufstellungen  zu,
     welche die negativ-dogmatische Lösung des Problems von dem
     Dasein absoluter Werthe nahelegen, d. h. diese Existenz völhg leugnen,
     so darf man nicht vergessen,  dass skeptische Aeußerungen niemals
     in dem   Sinne beim Worte   zu nehmen   sind,  wie  die Aussprüche
     anderer Denker.  Denn es   ist eine oft geübte Methode der antiken
     Skepsis, erst das Für und dann das Wider ausführHch zu entwickeln,
     um aus   der  Gleichkräftigkeit  der Gründe  auf  beiden  Seiten  die



         1) Math. XI, 111.  Vgl. auch 141.
         2) Ebenda 118.
         3) P. I, 188—191. Vgl auch I, 28.
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