Page 299 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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          Die erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticismus.  287
     berührt; denn sie sind außer halb der Thorheit fexro? ttjs d<ppooovr|?)
     von dem Uebel, das ihnen nicht gegenwärtig ist, sondern von ihnen
     abgesondert  (x£ya)pio}j.3vov), möchten  sie wohl  nicht  übel berührt
     werden 1).«  Die Thoren aber werden — so führt der Gedankengang
             — von der Thorheit nicht übel berührt; denn da ihnen dazu
     weiter 2)
     die Thorheit  als Uebel bekannt  sein müsste  (ein Uebel, was uns
     nicht als Uebel erscheint, berührt uns auch nicht übel),  so würden
     sie die Thorheit fliehen.  Da dies die Thoren nicht thun, so ist die
     Thorheit kein Uebel an sich. Aus solchen Sätzen erhellt in anschau-
     licher Weise  die Verdinglichung der Werthe und die an den Sen-
     sualismus der Stoa erinnernde Passivität des Subjects, welches die
     Erkenntniss der Werthe nur als Abdruck derselben in seiner Seele
     empfangen könnte.   Das cpuasi xaxdv wird  als  starres reales Object
     uns gegenüberstehend gedacht,  als etwas außer uns, von uns Abge-
     sondertes, von dem wir nur durch das xaxouai>ai als durch ein recep-
     tives Afficirtwerden Kenntniss erhalten könnten.




        Das Ergebniss, welches  die Analyse des negirenden Theils der
     skeptischen Ethik zeitigte, wird nun voll bestätigt, wenn man noch
     die wenigen positiven Bestimmungen zu Rathe zieht,       die hier
     in Betracht kommen können.   Alle Verneinung in der pyrrhonischen
     Philosophie betrifft das an sich der Dinge; alle positiven Thesen die
     Anerkenntniss der Erscheinungen.  Beides gilt auch für die ethischen
     Probleme.  Auch hier wird die Erkenntniss der Werthe an sich be-
     stritten,  die  Erkenntniss  der  sittHchen Erscheinungen  behauptet.
     Steht   nun,   was   die  erkenntnisstheoretischen      Voraus-
     setzungen anlangt, die positive Kehrseite der skeptischen
     Ethik   in Einklang mit deren negativen Behauptungen?
     Ich glaube gewiss.  Der These von der Unerkennbarkeit der Werthe
     an sich lagen über die Existenz dieser Werthe drei verschiedene, in
     ihren Grenzen für das skeptische Bewusstsein oft ineinanderfließende
     Voraussetzungen  zu Grunde:   die Annahme,    das  Bezweifeln,  die
     Leugnung dieser Existenz.  Gibt es aber Werthe an sich, so würden
     sie  sich dem passiven Bewusstsein aufdrängen und so von diesem

         1) Math. XI, 91/92.    2) Math. XI, 92-95.
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