Page 505 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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     auch die einfache Rellexion und unmittelbare Wiedergabe aus den
     angegebenen Gründen zu einer Detailanalyse der unklareren Region
     und  einer herauf gegründeten Umfangsbestimmung nicht ausreicht,
     so ermöghcht sie doch eben die Feststellung der allgemeinen GUede-
     rung des Bewusstseins überhaupt nach den verschiedenen Bllarheits-
     graden, was für die Lösung unseres Problems besonders wichtig ist
     Denn auch alle indirecten Methoden, wie sie unten in Cap. 3 u. 4
     zur Sprache kommen, führen doch schHeßHch auf eine solche Ueber-
     legung über diese Gliederung nach Bewusstseinsgraden zurück, welche
     nur durch die einfache Reflexion geleistet werden kann.  Somit gibt
     diese  sogenannte  Selbstbeobachtung  erst  die nähere Formuhrung
     des allgemeinen Problems einer Bestimmung des Bewusstseinsumfangs
     mit seinen verschiedenen Regionen an die Hand.  Hierbei zeigt sich
     vor allem noch, dass die Gegenüberstellung einer apperceptiven und
     perceptiven Region  nicht etwa bloß  als eine einfache Zweitheilung
     des Bewusstseins zu denken ist.  Innerhalb des simultanen Ganzen
     sind jederzeit mehrere Stufen der Beachtung und der Klarheit neben
     einander möglich  i),  je nach der größeren oder geringeren Zahl von
     Einheitsbüdungen, auf welche sich das Subject augenbUckhch im un-
     mittelbaren Erleben bezieht. Wenn auch unter Umständen in einer
     Art von Zweitheüung   eine  ziemlich gleichmäßig beachtete Region
     einem ähnlich gleichmäßig unbeachteten  > Hintergrunde«, bezw. einer
     >Peripherie«  des Bewusstseins gegenüberstehen kann,  so bezeichnet
     doch der Begriff der Apperception mehr eine allgemeine Richtung
     des Processes, welcher innerhalb des ganzen Blickfeldes an verschie-
     denen Stellen in ungleicher Yollkonunenheit durchgeführt  ist, so dass
     sich das Büd  eines ReUefs mit verschieden vertheilten Höhenlagen
     besonders gut  zur YersinnUchung  dieses Thatbestandes  eignet,  in
     welchem  die  Gliederung  der  Grundfläche den  Vorstellungen,  die
     Höhe den Graden der Klarheit oder des Stadiums jenes Processes
     entspricht.  Daher  ist auch die Bezeichnung dieser Höhe  als >Be-
     wusstseinsgrad«  für die kurze Darstellung dieser möghchen Mannig-
     faltigkeit der Klarheitsvertheilung besonders geeignet.  Damit er-
     fährt dann natürlich auch der Versuch einer Wiedergabe
     des gesammten Bewusstseinsumfanges eine weitere Präci-


        1) "Wundt,  a. a. 0.
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