Page 506 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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494 Wilhelm Wirth.
sirung. Denn die sogenannte Enge des Bewusstseins, welche den
Versuch einer näheren Bestimmung seines Umfanges überhaupt als
sinnvoll erscheinen lässt, äußert sich bekanntlich nicht so sehr in
einer festen Einschränkung der Zahl von unterscheidbaren Elementen,
die innerhalb des gesammten Bewusstseins mit seiner apperceptiven
und perceptiven Region vorkommen, als insbesondere in einer Ein-
schränkung des GJ-esammtwerthes der verschiedenen Klar-
heitsgrade der simultan bewussten Einzelelemente. Die
Zusammenfassung und Gliederung zu einer bestimmten Anzahl in-
haltlicher Untereinheiten des augenblicklichen Gesammtbestandes und
die größere Concentration oder Ausgleichung der Aufmerksamkeit
wechseln hingegen fortwährend ganz behebig sowohl je nach den
inneren, objectiven Verhältnissen der Vorstellungen selbst, der An-
ordnung der Qualitäten u. s. w., als auch je nach dem subjectiven
Interesse, welches anderweitige künstliche Eintheilungsgründe an das
Chaos der Vorstellungen heranbringt. Jedenfalls sind also diese
Vorgänge der Einheitsbildung und Aufmerksamkeitsvertheilung,
welche jene Regionen innerhalb des Blickfeldes zu stände kommen
lassen, von dem Gesammtumfang im allgemeinen unabhängige
Factoren. Die Enge des Bewusstseins bestimmt eben nur die Klar-
heitsgrade, welche unter Voraussetzung einer bestimmten Gliederung
den Untereinheiten derselben noch zukommen können, ohne dass frei-
lich die Form der Ghederung für die Theilwerthe völlig gleichgültig
wäre. Mit geringeren Klarheitsgraden kann also eine entsprechend
größere Zahl von Inhalten auftreten. Hieraus ergibt sich aber nun
auch die einzig mögliche Form, unter welcher der Ausdruck für einen
Gesammtumfang des Bewusstseins jeweils überhaupt denkbar ist. Er
kann immer nur als eine Reihensumme gefasst werden, deren Glieder
den Bewusstseinsgrad der einzelnen Elemente enthalten, dessen Ver-
gleichbarkeit in quantitativer Hinsicht bereits in der Bezeichnung
als »Grad< richtig zum Ausdruck gekommen ist. Ist es doch auch
eines der sichersten Ergebnisse der Selbstbeobachtung, dass die
»Concurrenz« der Vorstellungen gerade in der gegenseitigen Beschrän-
kung der Bewusstseinsgrade besteht; wie es auch wiederum dem
Wesen dieser Grade als Maßstab der Intensität des seehschen Pro-
zesses überhaupt entspricht.