Page 555 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung. 543
bedeutet vielmehr bereits eine ganz besondere Leistung der
betheiligten Yergleichsobjecte. Zu einer derartigen Präcision
des Yergleichsurtheiles ist nicht bloß die Bewusstheit der Yer-
gleichsgegenstände und ihrer kritischen Elemente überhaupt, sondern
insbesondere schon eine hinreichende Klarheit dieser Vor-
stellungen nothwendig. Wenn z. B. das Moment einer thatsäch-
jichen Verschiedenheit nur überhaupt bewusst, abet augenbUckhch
nur wenig klar und beachtet ist, so kann ja ebenfalls bereits eine
Wirkung auf das Vergleichsurtheü im Sinne dieses Elementes erfolgen.
Doch entspricht dieser unklaren Daseinsweise des Inhaltes eine gleiche
Unbestimmtheit in diesem Vergleichsurtheü, wie sie in den unzähhgen
Nuancirungen des AehnHchkeits- und Verschiedenheitsbewusstseins
gegeben sind. Ist also das unterscheidende Merkmal zweier Gesammt-
vorstellungen nur unklar gegeben, z. B. wegen der gleichzeitigen
Concurrenz der sonstigen Elemente dieser Vorstellungen, so kann
nicht nur ein unsicheres Verschiedenheitsbewusstsein , sondern, bei
entsprechender Vertheilung der Aufmerksamkeit auf die überein-
stimmenden Merkmale, auch ein Aehnlichkeitsbewusstsein entstehen,
das sogar in verschiedenem Maße nach Gleichheit gra\ätirt. Erst
wenn der DifEerenzpunkt hinreichende Klarheit besitzt und sich die-
selbe einigermaßen zu erhalten vermag, wird ein Urtheil der Ver-
schiedenheit mit derjenigen Sicherheit auftreten, wie es bei diesen
Versuchen allein verwerthbar ist.
Damit ist aber natürhch nicht gesagt, dass nicht auch an sich
unklare Elemente bei einem sicheren Vergleichsurtheü betheiligt sein
könnten. Gerade die tachistoskopischen Versuche mit geläufigen
complexen Gebilden lieferten ja die besten Beispiele dafür, dass
viele und durch die Concurrenz in ihrer Detailbeachtung gedrückte
Einzelelemente zu einem Ganzen von hoher Klarheit sich zusammen-
fügen. Und ganz die nämHche Möglichkeit ist für diese Versuche
mit Tactreihen in Erwägung zu ziehen, zumal die Anzahl der em-
zelnen Tactschläge, für die man bei einem Vergleich der Keihen noch
die Zahl jener simultanen Einheiten »maximaler«
gut stehen kann,
Klarheit im Sinne des vorigen Kapitels vielfach übersteigt, so dass
derartig compHcirten simultanen Gesammtvorstellung
also in einer
dem Einzelelemente relativ geringe Klarheit zukommt. Zunächst
muss aber auch noch ein weiterer Erfolg dieses Zusammenwirkens.