Page 589 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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erwähnt (2, 10 a), nicht ausgeschlossen, dass doch auch das absolute
Maß des ümfanges selbst einer Veränderung,
z. B. auch einer Er-
höhung fähig ist, obgleich alle derartigen Annahmen, wie gesagt,
wegen der Möglichkeit einer Beiziehung vorher anderweitig
ausge-
füllter Seiten, welche einer einfacheren Gesetzmäßigkeit entspricht,
unnöthig erscheinen, solange nichts über die absoluten Maße ausge-
macht ist. Würde aber eine solche Erhöhung mit der Dauer that-
sächUch eintreten, dann würde sie in dem normalen Maß ihr Maximum
nach dieser Richtung so ziemlich erreichen müssen. Denn z. B. in
der Arbeit des alltäglichen Lebens pflegen vor uns doch mit den
Gegenständen kaum jemals tachistoskopisch zu beschäftigen. Wir
würden also bei der normalen inneren Anspannung allen Dingen und
Ereignissen gegenüber fortwähi-end den durch die Dauer der Ereig-
nisse ausgeweiteten Bewusstseinsumfang erleben und auch beim
Uebergehen auf neue Gegenstände schöbe sich wegen der im allge-
meinen vorhandenen Continuität der Erlebnisse sozusagen immer
sogleich ein Ersatz in die preisgegebenen Lücken dieses Umfangs
liinein, welcher ein Einschrumpfen desselben verhinderte. Nicht
einmal vor einem tacliistoskopischen Versuch könnte eine Entleerung
des ümfanges auf ein Mindestmaß stattfinden, welcher bei folgender
tachistoskopischer Darbietung einen exacteren imd vergleichbareren
Umfang des Erfassten veranlassen könnte. Denn eine derartige Ein-
engung des gesammten Quantums, die mit einer Concentration auf eine
bestimmte Art der Verwendung natürlich nicht verwechselt werden darf,
ist hier eben durch die Beachtung der einstweilen sichtbaren Expo-
sitionsgegend mit Fixirmarke u. s. w., sowie durch die ganze Erwar-
tung ausgeschlossen. Diese würden also selbst wiedenim dazu dienen,
den vom gewöhnlichen Leben übernommenen »Umfang« zu erhalten.
Abgesehen von irgend welchen von dem gewöhnlichen Leben ab-
weichenden Bedingungen, die doch nicht ausdrückhch eingefühi-t werden
sollen, kann also bei der tachistoskopischen Exposition der geringere
Umfang der ihr entsprechenden Vorstellungen nur auf der ungenügen-
den Beiziehung der zunächst anderweitig absorbirten Ki-äfte beruhen.
Man könnte also höchstens noch Bedenken tragen, dass die Grade
der Einübung in der Vorstellung des dauernd exponirten Bestandes
unvergleichbar schwankende Bedingungen für die Versuche einführen.
Rein deductiv, d. h. auf Grund der sonstigen Erfahrungen über die
Wundt, Philos. Studien. XX. 37