Page 591 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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Complexes zu unserer Messung des Umfangs vorausgesetzt. Infolge
der gegenseitigen Concun-enz bei einer größeren Anzahl von Ele-
menten, wie sie hier vorausgesetzt sind, werden dabei natürHch so und
so viele Einzelelemente weniger beachtet sein und eine constante
Orientirung des Aufmerksamkeitsreliefs nach einem bestimmten
»inneren« Blickpunkte wird für diese Elemente auch nach der maxi-
malen Einübung nicht mehr als diese relativ geringere Klarheit be-
deuten. Bei einer hinreichenden G-eübtheit in der angemessenen
Aufmerksamkeitsvertheilung, welche ohne Weiteres den einzelnen
Inhalten je nach ihrer > Entfernung« vom »inneren« Blickpunkte das
entsprechende Maß von Klarheit zu Theil werden läßt, wird diese
geringere K!larheit des Peripheren eigentlich gar niemals wesentlich
überschritten zu werden brauchen, so dass also (nach jener allge-
meinsten Regel über die Abhängigkeit der reflectiven Wiedergabe
von einem Mindestmaß der erlebten Klarheitsgrade (1,2)) auch nach
maximaler Einübung der constanten günstigsten Aufmerksamkeits-
verteilung keine Angabe der verschiedenen Figuren und ihrer Verteilung
möglich zu sein braucht, oder wenigstens nur sehr indirect nach
längerer Reflexion über den gesammten Bestand. Andererseits
brauche ich kaum noch hinzuzufügen, dass für gewöhnlich das Aus-
wendiglernen von Complexen sich zur Erleichtemng seiner Aufgabe
nur an ganz bestimmte Richtungen der Aufzählung zu halten pflegt,
während natürlich die Orientirung des simultanen Aufmerksamkeits-
reliefs sich sofort nach allen Richtungen und Beziehungen gleich-
mäßig erstrecken wird, so riel daran eben der gleichzeitige Umfang
des Bewusstseins simultan in entsprechender Klarheit mit zu erfassen
im stände ist.
Indessen stellt sich dieser Nebenerfolg bei der thatsächhchen
Durchmusterung des Bestandes, wie gesagt, wirklich ein, und man
könnte nun versucht sein, aus der jedenfalls riel späteren Erreichung
eines Uebungsmaximums füi- ein derartiges Auswendig-Wiedergeben
des ganzen Complexes auf ein ähnhches Fortschreiten der actuellen
Beherrschung während der Betrachtung selbst schließen zu wollen,
was natürlich für die Constanz der Versuche eine schlechte Aussicht
bilden würde. Denn auch nach einer sehr gi-oßen Zahl von jeweils
längeren Fixationen des Complexes wird die auswendige Wieder-
gabe immer noch einer Beschleunigung und Verbesserung fähig sein.
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