Page 595 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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      Moment der Yergleichung ein Aufmerksamkeitsmaximum überhaupt
      vorhanden  ist, wird durch die Uebung auch hier sich ganz von selbst
      ergeben.

         Die größere Schwierigkeit in der Auswahl des richtigen Augen-
      blicks und die  leichtere Ermüdbarkeit erfordert natürlich vor allem
      dann eine intensivere Einübung, wenn nun
                                                die Periode für die all-
      mähliche  Beherrschung  des  ersten  Complexes  nicht  durch  eine
      continuirliche Darbietung, sondern durch eine beliebig große
      Anzahl von Wiederholungen kurzdauernder Expositionen
      des Complexes ausgefüllt ist.     Je nach der Art und "Weise der
      tachistoskopischen Darbietung  des Yergleichsobjectes kann nämlich
      diese wiederholte tachistoskopische Exposition  des ersten Complexes
      einen besonderen Vortheil  bieten.  Bei dem  bisher gebräuchlichen
      Apparate  für kurzdauernde Expositionen wird  die Darbietung des
      Gesichtsbildes  zeitlich von  der Aussicht  auf  gleichförmig dunkle
      Flächen begrenzt, welche unmittelbar vor und nach der Exposition
      das Sehfeld an der entscheidenden SteUe ausfüllen.  Dadurch erlangt
      natürlich das Gesammtbild sowohl hinsichtlich seiner absoluten Hellig-
      keit und  seiner inneren  Contrastverhältnisse  als auch  hinsichtlich
      seiner ganzen psychischen Erscheinungsweise  eine so eigenthümliche
                        dass  die  Vergleichung  mit  einem  continuirlich
      Charakterisirung ,
      exponirten Complex,  selbst nach maximaler Beherschung des ersten
      Objects, außerordentlich erschwert wird und auch trotz besonderer
      Einübung immer noch mit einer ^iel zu großen »Unterschiedsschwelle«
      zur Wirkung gelangt.   In diesem Falle  ist  also die geeignetste
      Darbietung     des  ersten  Complexes  ebenfalls  die  tachisto-
      skopische.   Bei hinreichender Wiederholung in günstig gewählten
      Zeit ab ständen wird das eigenthümliche Ganze, welches   in einem
      kurzdauernden Wahmehmungscomplex besteht und eine zeitlich fest
      begrenzte Ausfüllung  des optischen Bewusstseins  darstellt,  in der
      soeben ausfülu-lich beschi-iebenen Weise ebenso sicher für den best-
      möglichen Ausfall eines Vergleiches mit einer neuen, ebenfalls tachi-

      stoskopischen Exposition  beherrscht  sein.  Einen besonderen Vor-
      theil besitzt eine derartige Anordnung des Versuchs, wie  sie später
      mitsammt ihren Ergebnissen ausführlicher zu beschreiben  ist  (6,  2),
      noch außerdem durch    die besonders  scharf markirte Abgrenzung
      der Vergleichsexposition.
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